Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Berechnung. Bemessungsgrundlage. Provision pro Quartal. sonstige Bezüge. laufender Arbeitslohn. Angabe auf Verdienstbescheinigung
Orientierungssatz
1. Der Verweis in § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF vom 9.12.2010 auf die "im Lohnsteuerverfahren als sonstige Bezüge behandelten Einnahmen" bedeutet nicht, dass es allein auf die konkrete Behandlung der Bezüge durch den Arbeitgeber ankommt und somit auch eine offensichtlich fehlerhafte Bewertung für Verwaltung und Gerichte bindend wäre.
2. Wird der Arbeitnehmer am Gewinn und Verlust der von ihm fertiggestellten Projekte nach einem im Einzelnen vereinbarten Berechnungsmodus beteiligt und ihm quartalsweise eine Provision ausgezahlt, so handelt es sich um laufenden Arbeitslohn, der bei der Bemessungsgrundlage des Elterngelds zu berücksichtigen ist.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 7 Sätze 1-2, 4; EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-4, § 38a Abs. 1 S. 3
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27.04.2012 aufgehoben. Der Bescheid der Stadtverwaltung K vom 15.09.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 18.10.2011 wird geändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld in Höhe von 2.470,26 € zu zahlen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin 5/6 der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes.
Die Klägerin bezog vor der Geburt ihres Sohnes C F S 2011
Erwerbseinkommen aus einer abhängigen Beschäftigung als Lehrgangs-Managerin. Auf ihren am 15.09.2011 eingegangenen Antrag (Bl 1ff Verwaltungsakte - VA -) bewilligte ihr die Stadtverwaltung K für den zweiten Lebensmonat des Kindes Restelterngeld für vier Tage in Höhe von 151,42 € und für den dritten bis zwölften Lebensmonat des Kindes Elterngeld in Höhe von monatlich jeweils 1.173,50 €; wegen des für die Zeit vom 09.05.2011 bis 19.08.2011 bezogenen Mutterschaftsgeldes der Krankenkasse in Höhe von kalendertäglich 13,00 € sowie des Arbeitgeberzuschusses hierzu in Höhe von kalendertäglich 49,64 € wurde für den ersten Lebensmonat des Kindes kein Elterngeld und für den zweiten Lebensmonat lediglich für vier Tage Restelterngeld bewilligt. Der Berechnung des Elterngeldes legte die Behörde das in den Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeberin der Klägerin für die Monate Mai 2010 bis April 2011 (Bl 14 ff. VA) bescheinigte monatliche regelmäßige Brutto-Entgelt der Klägerin in Höhe von 3.100,00 € zu Grunde, ermittelte hieraus ein für die Elterngeldberechnung berücksichtigungsfähiges durchschnittliches Netto-Entgelt in Höhe von 1.805,38 € und bei einem individuellen Bemessungssatz von 65 % eine monatliche Leistungshöhe von 1.173,50 €; wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf den Bewilligungsbescheid vom 15.09.2011 (Bl 27ff VA) Bezug genommen.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, auch die in den Gehaltsbescheinigungen der Arbeitgeberin ausgewiesenen, im Lohnsteuerabzugsverfahren als "sonstiger Bezug" behandelten Zahlungen ihrer Arbeitgeberin (Provisionszahlungen in Höhe von brutto 2.306,66 € in Juni 2010, 2.330,96 € im Dezember 2010, 4.253,53 € im März 2011 sowie eine freiwillige Gratifikation - Weihnachtsgeld - in Höhe von 3.100,00 € im Monat November 2010), seien nach Maßgabe des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) Elterngeld erhöhend zu berücksichtigen. Den Widerspruch wies das beklagte Land durch Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurück und führte aus, das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG sei zur Anwendung des § 2 Abs 7 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) alte Fassung (aF) ergangen. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011) sei § 2 Abs 2 S 2 BEEG neu formuliert worden, sodass nun auf das Lohnsteuerabzugsverfahren und die dort als sonstige Bezüge behandelten Einnahmen verwiesen werde. Diese Einkünfte fielen seit 01.01.2011 nicht unter den Einkommensbegriff des BEEG und könnten nicht zur Elterngeldberechnung herangezogen werden.
Die am 17.11.2011 erhobene Klage, mit der die Klägerin den Anspruch auf höheres Elterngeld weiterverfolgt hat, hat das Sozialgericht (SG) Koblenz durch Urteil vom 27.04.2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen, in denen die rechtlichen Voraussetzungen und die Berechnung des Elterngeldes zutreffend dargelegt und richtig angewandt worden seien.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.06.2012 (Montag) Berufung eingelegt. Sie hat zunächst geltend gemacht, die streitigen Provisionszahlungen sowie die freiwillige Gratifikation (Weihnachtsgeld), die ihr nach den Regelungen ihres Arbeitsvertrages (Bl 90ff PA) zustünden, seien auch bei der Bemessung der Höhe des Elterngeldes zu berücksichtigen. Mit Schriftsatz vom 17.12.2012 hat sie nach ge...