Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Berechnung. Bemessungsgrundlage. nichtselbstständige Arbeit. vorgeburtliches Einkommen. quartalsweise berechnete und monatlich ausgezahlte Provisionen. sonstige Bezüge. laufender Arbeitslohn. Angabe auf Verdienstbescheinigung
Orientierungssatz
Die Regelung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF vom 9.12.2010, wonach im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen nicht berücksichtigt werden, ist nicht so zu verstehen, dass es hierbei allein auf die konkrete Behandlung durch den jeweiligen Arbeitgeber ankäme und somit auch eine offensichtlich fehlerhafte Handlungsweise bzw rechtliche Bewertung (hier von quartalsweise berechneten und monatlich ausgezahlten Provisionen) für Verwaltung und Gerichte bindend wäre (so auch LSG Mainz vom 21.2.2013 - L 5 EG 6/12).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27.4.2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 20.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.5.2011 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld für die Zeit vom 7.2.2011 bis zum 6.1.2012 von 2.552,60 € zu zahlen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Elterngeld für den Zeitraum vom 7.2.2011 bis zum 6.1.2012.
Die 1977 geborene Klägerin, von Beruf Vertriebsbeauftragte im Außendienst, beantragte im Februar 2011 bei dem Beklagten Elterngeld für ihre am 7.1.2011 geborene Tochter D M . Die von ihr vorgelegten Gehaltsabrechnungen über ihr Einkommen vor der Geburt enthielten Provisionszahlungen (Umsatzbeteiligungen), die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt waren. Ihr Arbeitgeber bestätigte unter dem 3.2.2011, dass es sich bei den Provisionszahlungen um laufende Gehaltszahlungen gehandelt habe.
Mit Bescheid vom 20.4.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 7.2.2011 bis zum 6.3.2011 in Höhe von 110,47 € und ab 7.3.2011 bis zum 6.1.2012 in Höhe von monatlich 1.546,55 €. Dabei berücksichtigte er bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin vor der Geburt des Kindes die Provisionszahlungen nicht. Zur Begründung ihres Widerspruchs machte die Klägerin geltend, bei den Provisionen (Umsatzbeteiligungen) habe es sich um vereinbarte und regelmäßig monatlich gezahlte Gehaltsbestandteile gehandelt, die als Einkommen relevant seien (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R); eine Korrektur der fehlerhaften steuerlichen Behandlung der Bezüge sei steuerrechtlich nicht mehr möglich. Durch Widerspruchsbescheid vom 27.5.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es: Die in Rede stehenden Einkommensbestandsteile könnten elterngeldrechtlich nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht als laufender Arbeitslohn, sondern als sonstige Bezüge iSd § 38a Abs 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) versteuert worden seien. Auf die hiervon abweichenden Grundsätze des Urteils des BSG vom 3.12.2009 (aaO) komme es wegen der zum 1.1.2011 eingetretenen Änderung des § 2 Abs 7 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) nicht an. Deshalb bestimme sich die Höhe des Elterngeldanspruchs ohne die im maßgebenden Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt gezahlten Provisionszahlungen.
Am 22.6.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin hat eine Bestätigung ihrer Beschäftigungsfirma vom September 2011 vorgelegt. Darin heißt es, die geleisteten Provisionszahlungen seien ein fester Gehaltsbestandsteil und inklusive Fixum als Gesamtjahresgehalt vereinbart gewesen; die Provisionszahlungen nach der mit der Klägerin geschlossenen Tantiemenvereinbarung würden quartalsweise abgerechnet, aber monatsweise ausgezahlt. Das Sozialgericht (SG) hat die Personalsachbearbeiterin der Beschäftigungsfirma der Klägerin T S als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des SG vom 27.4.2012 verwiesen.
Durch Urteil vom 27.4.2012 hat das SG Koblenz die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Wegen der Berechnung werde auf die Gründe des Widerspruchsbescheides des Beklagten verwiesen (§ 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Provisionszahlungen seien nicht als vor der Geburt erzieltes Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. Nach der zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Neufassung von § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 2011 vom 9.12.2010 seien im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen unbeachtlich. Hiernach komme es allein auf die lohnsteuerrechtliche Behandlung der Einkünfte an, sodass die Provisionseinnahmen außer Ansatz zu lassen seien, unabhängig von der Frage, ob es sich um Gehaltsbestandteile handele.
Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten ...