Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 08.07.1987; Aktenzeichen S 1 Ka 7/87)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 8.7.1987 abgeändert und der Bescheid vom 29.7.1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.1986 aufgehoben.

2. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger sind als Ärzte für Orthopädie in W. niedergelassen und belegärztlich am dortigen St. E.-Krankenhaus tätig. Die bei Patienten ihrer Belegstation notwendigen physikalisch-medizinischen Leistungen werden von Masseuren und Krankengymnasten der Privaten Lehranstalt für Physiotherapie und Krankengymnastik am St. B.-Krankenhaus erbracht.

Auf Antrag der Beigeladenen nahm die Beklagte mit Bescheid vom 29.7.1986 eine sachlich-rechnerische Berichtigung für die Quartale II bis IV/1985 dahingehend vor, daß alle von den Klägern erbrachten und abgerechneten physikalisch-medizinischen Leistungen der Ziffern 500 bis 554 BMÄ im Gesamtbetrag von 13.022,03 DM gestrichen wurden. Es sei nicht festzustellen, welche von den in Ansatz gebrachten physikalisch-medizinischen Leistungen die Voraussetzungen ihrer Abrechnungsfähigkeit erfüllten. Verrichtungen des nichtamtlichen Hilfspersonals seien nur berechnungsfähig, wenn sie unter Aufsicht und Verantwortung des Kassenarztes ausgeführt worden seien. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.12.1986).

Mit ihrer Klage haben die Kläger geltend gemacht, sie rechneten nur solche Leistungen ab, bei denen das Erfordernis der Aufsicht und Verantwortung erfüllt sei. In ihrem Falle stellten die Leistungen der physikalischen Medizin wesentliche Teile der ärztlichen Behandlung im Rahmen der stationären Versorgung des Patienten dar. Sie würden täglich eine Verlaufskontrolle vornehmen und ggf Anweisungen über Änderungen in der Therapie geben, mit der Krankengymnastin oder dem Masseur die infrage kommenden Leistungen in Gegenwart des Patienten detailliert besprechen sowie Anweisungen und Instruktionen erteilen. Folge man der Ansicht der Beklagten, waren Leistungen der physikalischen Medizin nur noch dann durch Ärzte abrechenbar, wenn diese Leistungen von diesen höchstpersönlich erbracht würden. Das wolle aber auch die Beklagte nicht.

Durch Urteil vom 8.7.1987 hat das Sozialgericht (SG) Mainz die Klage abgewiesen. Die im Krankenhaus W. für Patienten der Kläger erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen seien schon deshalb nicht abrechenbar, weil sie mit dem sogenannten kleinen Pflegesatz abgegolten seien.

Gegen das ihnen am 22.7.1987 zugestellte Urteil haben die Kläger am 24.8.1987, einen Montag. Berufung eingelegt.

Sie tragen vor, das sozialgerichtliche Urteil könne ebensowenig Bestand haben, wie die Bescheide der Beklagten. Wie sich aus der Auskunft des St. E.-Krankenhauses vom 24.5.1988 ergebe, würden die streitbefangenen stationären krankengymnastischen Leistungen der angegliederten Privaten Lehranstalt nicht über den Pflegesatz abgerechnet. Entscheidend sei also allein die Frage, ob im vorliegenden Falle die Voraussetzungen der Aufsicht und Verantwortung erfüllt seien oder nicht.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 8.7.1987 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 29.7.1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.1986 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig und auch begründet.

Das Urteil des SG kann keinen Bestand haben. Es ist – aufgrund des klägerischen Vorbringens – von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Die streitbefangenen stationären krankengymnastischen Leiste gen werden nicht von medizinischen Hilfspersonen des St. E.-Krankenhauses, sondern – wie dieses den Klägern mit Schreiben vom 24.5.1988 bestätigt – von Angehörigen der dem Krankenhaus angegliederten Privaten Lehranstalt für Physiotherapie und Krankengysmnastik erbracht und sind folglich nicht im sogenannten kleinen Pflegesatz enthalten. Von einer Zurückverweisung sieht der Senat jedoch ab, weil die angefochtenen Bescheide der Beklagten seiner Ansicht nach unter keinen Umständen aufrechtzuerhalten sind.

Mit den SG ist zwar davon auszugehen, daß der Kassenarzt grundsätzlich seine ärztlichen Leistungen in eigener Person zu erbringen hat. Dies ergibt sich bereits aus § 122 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach die ärztliche Behandlung durch approbierte Ärzte geleistet wird. Sie umfaßt Hilfeleistungen anderer Personen – wie Masseure und Krankengymnasten – nur dann, wenn der Arzt sie anordnet. Deshalb fordert auch das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung seit Erlaß des Urteils – 6 RKa 22/74 – vom 6.5.1975 (BSGE 39, 288, 289), daß eine die ärzt...

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