Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung der Beteiligung eines Chefarztes für innere durch teilweisen Widerruf gemäß AEV § 7 Abs. 2 auf gastroenterologische Leistungen und Überweisungen durch andere Internisten ist rechtswidrig, wenn der betroffene Arzt über besondere Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet der gesamtes Gastroenterologie verfügt.

2. Über den Umfang der Beteiligung, die dem betroffenen Arzt verbleiben muß, können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch im Ersatzkassenbereich wegen des den Beteiligungsgremien nach AEV § 5 Nr. 6 zustehenden Ermessensspielraums nicht selbst abschließend entscheiden.

 

Normenkette

AEV § 5 Nr. 6, § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Entscheidung vom 04.06.1980; Aktenzeichen S 2 Ka 59/79)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 4. Juni 1980 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung streiten die Beteiligen weiterhin um den teilweisen Widerruf der Beteiligung des Klägers an der vertragsärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der inneren Medizin.

Der 1920 geborene Kläger war nach dem medizinischen Staatsexamen praktisch ohne Unterbrechungen in größeren Kliniken tätig. Er war bis Oktober 1947 Pflichtassistent und Assistent in der Universitäts-Kinderklinik L., danach bis Mitte Juni 1962 Assistent und schließlich Oberarzt im E.stift in D.. Seine Anerkennung als Facharzt für innere Medizin erfolgte im Juni 1957. Seit Mitte Juni 1962 ist er Chefarzt der Medizinischen Abteilung des E. …krankenhauses in S.. Als solcher wurde er durch Beschlüsse des Zulassungsausschusses und der Beteiligungskommission vom 25. Juli 1962 ohne besondere Einschränkungen an der kassenärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Daran ändere sich auch nach der im März 1969 erfolgten Überprüfung seiner Beteiligung an der vertragsärztlichen Versorgung zunächst nichts.

Mit Bescheid vom 11. Juli 1979 widerrief die Beteiligungskommission jedoch die Beteiligung des Klägers mit Ausnahme folgender Leistungen:

Gastroentereskopische Leistungen und Herzschrittmacherkontrollen, Überweisungen durch niedergelassene Internisten, medizinische Betreuung der Diakonissenmutterhauses, Überweisungen der Beteiligung Chefärzte des …krankenhauses S. im Rahmen der Beteiligung dieser Ärzte.

Zur Begründung heißt es darin, die Voraussetzungen, die zur Beteiligung des Klägers geführt hätten, lägen nicht mehr vor, da inzwischen in S. insgesamt sieben Internisten niedergelassen seien, deren Existenz bei weiter Beteiligung des Klägers gefährdet wäre. Die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten sei durch die niedergelassenen Internisten vollauf gesichert, da diese mit Ausnahme der Leistungen, für die der Kläger weiterhin beteiligt bleibe, alle internistischen Leistungen in ihrer Praxis ausführen könnten. Es sei auch nicht ersichtlich, daß der Kläger über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf Fachgebiet verfüge, die seine weitergehende Beteiligung erforderlich machten.

Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, nach 17 ½-jähriger unangefochtener Beteiligung stehe ihm für die letzten fünf Jahre seiner Tätigkeit als Chefarzt ein erhöhter Bestandsschutz zu. Dies gelte um so mehr, als die in freier Praxis niedergelassenen Fachkollegen sich eindeutig nicht für die Notwendigkeit eines Entzugs seiner Überweisungspraxis zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen hätten. Entgegen der Auffassung der angefochtenen Bescheide verfüge er auf dem Gebiet der Gastroenterologie über besondere Erfahrungen. Hierzu verweise er auf seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen und seine Vortragstätigkeit im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen. Die Nutzbarmachung dieser Erfahrungen dürfe nicht auf Überweisungsfälle von Internisten beschränkt werden. Die Beschränkung auf gastroenteroskopische Leistungen schließe eine differenzierte Diagnostik praktisch aus. Hinzu komme, daß bei der Ultraschalldiagnostik und der internistischen Röntgentätigkeit in Speyer bestehende Engpässe nur durch seine Beteiligung zu beheben seien. Außerdem müsse seine Beteiligung in jedem Fall auch auf Langzeit-EKG's erstreckt bleiben, weil diese sonst in S. überhaupt nicht mehr möglich seien.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 7. November 1979 zurück. Wegen Überbesetzung des Planungsbezirks Speyer mit Internisten bestehe für die bisherige volle Beteiligung des Klägers kein Bedürfnis mehr (§ 5 Nr. 6 des Arzt-Ersatzkassenvertrags – AEV–). Die ihm durch Überweisungsfälle durch niedergelassene Internisten verbleibende Beteiligung decke alle in seiner Widerspruchsbegründung hervorgehobenen Bereiche ab. Die gegen eine solche Klausel nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts möglichen könnten dahinstehen, weil der Kläger sie nicht angreife und von einer möglichen Verbesserung im Widerspruchsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen abgesehen werden könne. Im übrigen bestehe ...

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