Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 26.10.1989; Aktenzeichen S 1 U 360/88)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.09.1992; Aktenzeichen 2 RU 38/91)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.10.1989 wird hinsichtlich des Antrags auf Sterbegeld, Überbrückungshilfe und Überführungskosten als unzulässig verworfen.

Im übrigen (bezüglich der Hinterbliebenenrente) wird das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten hat der Beklagte der Klägerin in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung an die Klägerin nach ihrem am … 1940 geborenen und am … 1987 an einer posthepatitischen Leberzirrhose als Folge einer Hepatitis-B-Infektion verstorbenen Ehemann (Versicherter).

Nach den Angaben des Chefarztes Dr. Sch. – Medizinischer Direktor am Kreiskrankenhaus St. E. – vom 12.4.1975 arbeitete der Versicherte vom 22.10. bis 14.11.1973 als Krankenpflegerschüler in seinem Krankenhaus auf der Chirurgischen Abteilung. Am 14.11.1973 kam es zu einer Gelbsucht, weswegen er am 17.11.1973 von seinem Hausarzt, Dr. K., stationär ins Kreiskrankenhaus eingewiesen wurde.

Während seiner Ausbildungszeit hatte der Kläger Kontakt mit dem Patienten M. D., der vom 29.10. bis 8.11.1973 auf der Chirurgischen Station des Kreiskrankenhauses wegen einer Blinddarmentzündung behandelt worden war. Zwei Wochen nach seiner Entlassung bekam der Patient D. eine Gelbsucht, und er wurde deshalb vom 26.11. bis 24.12.1973 erneut stationär behandelt.

Die Hepatitis des Versicherten wurde histologisch nach der Laparoskopie vom 14.2.1974 als chronisch aggressive Hepatitis mit narbigem Umbau diagnostiziert. Im Hinblick darauf revidierte Dr. Sch. (Bericht vom 12.4.1975) die ursprüngliche Diagnose einer Hepatitis epidemica sowie die Annahme einer Berufskrankheit.

Unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Gewerbeärztin Dr. Ko. vom 23.5.1975 lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 24.6.1975 dem Versicherten gegenüber die Gewährung einer Entschädigung ab, weil dieses fortgeschrittene Krankheitsbild nicht in dieser (kurzen) Zeit entstanden sein könne.

Im Oktober 1987 zeigte Privatdozent Dr. M. wiederum eine Berufskrankheit an mit dem Hinweis, eine akute Virushepatitis mit konfluierenden Nekrosen könne dem aus den Unterlagen ersichtlichen Krankheitsverlauf durchaus entsprechen, wenn man von einer vom Versicherten behaupteten Nadelstichverletzung während der Pflegetätigkeit ausgehe.

Nachforschungen im Kreiskrankenhaus E. über eine mögliche Nadelstichverletzung blieben erfolglos, es konnte niemand eine derartige Verletzung bestätigen.

Auf Nachfrage des Beklagten erklärte der Patient D., nichts von einer Nadelverletzung des Versicherten zu wissen.

Durch Bescheid vom 26.1.1988 und Widerspruchsbescheid vom 5.10.1988 lehnte der Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus Anlaß des Todes des Versicherten ab, weil eine berufliche Verursachung der Hepatitis-Erkrankung ausgeschlossen sei.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht nach Beiziehung der Behandlungsunterlagen des Versicherten aus der Medizinischen Universitätsklinik B. und einer Auskunft des Kreiskrankenhauses M. von Amts wegen ein Gutachten von Prof. Dr. W. – Chefarzt der Medizinischen Klinik der Städtischen Kliniken K. aD – vom 31.5.1989 eingeholt. Darin heißt es ua: Nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis sei es durchaus möglich, daß auch eine Inkubationszeit von drei Wochen für die Hepatitis möglich, ja wahrscheinlich sei. Schließlich seien die Transaminasen des Versicherten noch während seiner stationären Behandlung wegen Diabetes vom 4. bis 19.10.1973 normal gewesen. Dies spreche dagegen, die Infektion mit dem B-Virus bereits vor dem Beginn der Tätigkeit als Krankenpflegerschüler anzunehmen. Auch ein Verlauf von der akuten in die chronische Hepatitis innerhalb von drei Monaten sei absolut möglich, bei der B-Hepatitis sogar verhältnismäßig häufig. Des Nachweises einer Nadelstichverletzung bedürfe es nicht. Die Angehörigen der Heil- und Pflegeberufe seien gegenüber der Infektion einer Hepatitis-B in hohem Maße exponiert und gefährdet. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe beim Versicherten eine Berufskrankheit nach Ziffer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vorgelegen. Der Tod an einer posthepatitischen Leberzirrhose sei unmittelbare Folge dieser Hepatitis-B-Infektion gewesen.

Dazu hat die Beklagte das gewerbeärztliche Gutachten von Dr. S. vom 1.8.1989 vorgelegt, in dem das Gutachten von Prof. Dr. Wi. bestätigt wird.

Durch Urteil vom 26.10.1989 hat das Sozialgericht Koblenz den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenversorgung nach dem Versicherten A. A. zu gewähren. Zur Begründung hat es sich insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr. Wi. gestützt und ausgeführt, der Versicherte habe während seiner Pflegetätigkeit zum geschützten Personenkreis nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKVO...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge