Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 01.07.1976; Aktenzeichen S 2 Ar 208/75) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 1. Juli 1976 abgeändert:
Der Bescheid des Arbeitsamts Pirmasens vom 7. Oktober 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 1975 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab 31. August 1975 Arbeitslosengeld zu gewähren.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin Arbeitslosengeld (Alg) ab 31. August 1975.
Der 1930 geborene Kläger leidet an angeborenem mittleren Schwachsinn. Er kann nicht lesen und schreiben. Außerdem besteht bei ihm eine Innenohrschwerhörigkeit mit eingeschränkter Verständigungsmöglichkeit für die Umgangssprache (3 m), ein teilfixierter Rundrücken mit muskulären Verspannungen und eine vegetative Stigmatisation, die sich u.a. im Fingerzittern äußert.
Er war zuletzt ab 7. Oktober 1970 als Tiefbauwerker bei einer Straßenbaufirma beschäftigt. Bei dieser Tätigkeit geriet er am 28. Oktober 1974 mit dem rechten Fuß unter die Kette eines Baggers. Dabei kam es zu Frakturen des 4. u. 5. Mittelfußknochens mit nachfolgender Sudeck'scher Atrophie und weitgehender Versteifung des rechten Sprunggelenks. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand bis 30. August 1975. Seither erhält der Kläger Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 % (Bescheide der Beigeladenen zu 2 vom 26. April und 27. Juli 1976). Nach der inzwischen am 8. Juli 1977 im Auftrag der Berufsgenossenschaft durchgeführten Nachuntersuchung durch den Facharzt für Orthopädie Dr. B. in H./S. ist eine künftige wesentliche Besserung der Unfallfolgen unwahrscheinlich.
Während der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit schied der Kläger mit Beginn des Jahres 1975 aus dem früheren Arbeitsverhältnis aus. Er meldete sich am 29. August 1975 beim Arbeitsamt Pirmasens – Dienststelle Zweibrücken – arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, er könne nur noch im Sitzen und nicht mehr ganztägig arbeiten. Ausweislich der Stellungnahme der Vermittlungsstelle vom gleichen Tage beschränkte er seine Arbeitsbereitschaft auch ausdrücklich auf Z.. Das Arbeitsamt veranlaßte daraufhin eine ärztliche Begutachtung durch Medizinaldirektor Dr. F.. Dieser kam am 23. September 1975 zu dem Ergebnis, der Kläger sei für vorwiegend sitzende Tätigkeiten bis 8 Stunden geeignet, die keine Anforderungen an das Hörvermögen stellten und keine große Verantwortung mit sich brächten.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 1975 lehnte das Arbeitsamt Pirmasens die Gewährung von Alg ab. Wegen tatsächlicher Bindungen könne der Kläger nur an seinem Wohnort arbeiten. Auf dem für ihn erreichbaren Arbeitsmarkt seien Arbeitsplätze, die für ihn in Betracht kämen, nicht in nennenswertem Umfang vorhanden. Er stehe deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung.
Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, er sei gewillt, jede Tätigkeit aufzunehmen, die seinen Fähigkeiten entspreche.
Die Widerspruchsstelle des Arbeitsamts Pirmasens wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 30. Oktober 1975 zurück. Trotz mündlicher und schriftlicher Belehrung vom 29. August und 29. September 1975 stelle sich der Kläger nur für eine Vermittlung in Z. zur Verfügung. Diese Einschränkung müsse wegen der Schwierigkeiten des Klägers, sich in fremder Umgebung zurecht zu finden, auch anerkannt werden. Auf dem hiernach beschränkten Arbeitsmarkt sei jedoch eine Vermittlung des Klägers nicht möglich. Der Mangel an Arbeitsplätzen sei nicht auf die derzeit ungünstige Wirtschaftslage zurückzuführen. Es habe keine einzige freie oder besetzte Arbeitsstelle festgestellt werden können, die für den Kläger in Betracht komme.
Mit der Klage hat der Kläger weiter geltend gemacht, auch wenn er schwerlich wieder als Bauhelfer werde arbeiten können, dürfe die Beklagte nicht seine Vermittlungsunfähigkeit unterstellen. Vielmehr sei sie im Hinblick auf das Schwerbehindertengesetz verpflichtet, sich verstärkt um seine Vermittlung in eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Arbeitsstelle zu bemühen. Es gehe nicht an, einen langjährigen Beitragszahler, der sich in einer besonderen Notlage befinde, einfach abzuschieben und an den Sozialhilfeträger zu verweisen. Er sei bereit, jede ihm zumutbare Tätigkeit aufzunehmen. Unter Berücksichtigung der verhältnismäßig geringen unfallbedingten MdE müsse seine Vermittlungsfähigkeit bejaht werden. Außerdem habe die Beigeladene zu 1 seinen Antrag auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit inzwischen abgelehnt (Bescheid vom 19. Mai 1976).
Das Sozialgericht Speyer hat die Klage mit Urteil vom 1. Juli 1976 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es im wesentlichen, der Kläger habe auch im Klageverfahren angegeben, daß er lediglich im Raum Z. arbeiten könne und wolle. In diesem Raum und der näheren Umgebung seien aber nach dem vo...