Leitsatz (amtlich)
Dem in seiner Wohnung nicht angetroffenen Zustellungsadressaten, der einen Nachsendungsantrag gestellt hat, ist weder das zuzustellende Schriftstück, noch die Mitteilung über dessen Niederlegung beim Postamt nachzusenden.
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 05.07.1978; Aktenzeichen S 2 A 1/78) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5. Juli 1978 wird als unzulässig verworfen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger bezieht ab 1. Mai 1972 von der Beklagten das Altersruhegeld. Im Mai 1977 beantragte er, die im Jahre 1956 geleisteten 6 Höherversicherungsbeiträge in Grundbeiträge umzuwandeln. Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. Juni 1977 mit der Begründung ab, wie bereits im Rentenbescheid ausgeführt, habe sie keinen Anlaß zur Beanstandung der ordnungsgemäß entrichteten Beiträge. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1977 hat der Kläger rechtzeitig beim Sozialgericht (SG) Koblenz Klage erhoben. Er hat Vorgetragen, der Personalsachbearbeiter seines damaligen Arbeitgebers habe die Höherversicherungsmarken irrtümlich gekauft und geklebt. Im Verhandlungstermin vom 5. Juli 1978 ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Das SG Koblenz hat daraufhin ohne mündliche Verhandlung die Klage durch Urteil vom 5. Juli 1978 abgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte müsse nicht davon überzeugt sein, daß die Höherversicherung damals irrtümlich erfolgt sei.
Das SG Koblenz hat die Zustellung des Urteils vom 5. Juli 1978 mit Postzustellungsurkunde durchgeführt. Der Postbedienstete hat das Schriftstück am 25. Juli 1978 bei der Postanstalt U. niedergelegt. Mit Eingang beim SG Koblenz am 22. September 1978 hat der Kläger die Berufung eingelegt.
Er trägt vor:
Er habe sich schon zum Zeitpunkt der Niederlegung des Urteils und noch bis zum 19. September 1978 in seiner Ferienwohnung im S. auf gehalten. Trotz eines formularmäßig gestellten Nachsendungsantrags habe das Postamt U. ihm weder das Urteil nachgesandt, noch ihn über die Niederlegung unterrichtet. Erst am 19. September 1978 habe er das Urteil dort in Empfang genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 5. Juli 1978 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 1977 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Anrechnung von 6 Grundbeiträgen anstelle der 6 Höherversicherungsbeiträge für das Jahr 1956 sein Altersruhegeld ab 1. Juni 1977 neu festzustellen,
hilfsweise,
ihm vorab Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Der Kläger habe die Berufung verspätet eingelegt. Da er rechtzeitig Kenntnis von dem Urteil gehabt habe, könnten ihm keine Wiedereinsetzungsgründe zugebilligt werden.
Der Senat hat die Auskunft des Postamts Unkel vom 28. Dezember 1978 eingeholt, in der es heißt: Der Kläger habe das niedergelegte Schriftstück am 7. August 1978 abgeholt. Der Nachsendungsantrag des Klägers habe die Übersendung des niedergelegten Briefes nicht umfaßt. Die Mitteilung über die Niederlegung sei durch Einwurf des Benachrichtigungszettels in den Hausbriefkasten in U. erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) generell gegen sozialgerichtliche Urteile statthafte Berufung ist unzulässig.
Die Berufungsfrist des § 151 SGG ist nicht gewahrt. Nach dieser Vorschrift muß die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht (LSG) oder beim SG eingelegt werden. Das angefochtene Urteil des SG Koblenz vom 5. Juli 1978 ist, wie die Postzustellungsurkunde ausweist, am 25. Juli 1978 durch Niederlegung beim Postamt U. zugestellt worden. Das bedeutet, daß die Berufungsfrist am 25. August 1978 ablief. Eine nach Monaten bestimmte Frist endet nämlich gemäß § 64 Abs. 2 SGG alt Ablauf des Tages im folgenden Monat, der nach seiner Zahl dem Tage entspricht, an dem die Zustellung erfolgte. Die Berufungsschrift des Klägers vom 20. September 1978 ging jedoch erst am 22. September 1978 beim SG Koblenz ein.
Der Lauf der Berufungsfrist hatte mit der Niederlegung des Schriftstücks beim Postamt U. und dem Einwurf des Benachrichtigungszettels in den Hausbriefkasten des Klägers in U. begonnen, da darin eine ordnungsgemäße Zustellung zu sehen ist. Sind die Zustellung an den Empfänger selbst und die Ersatzzustellung an einen zur Familie gehörenden oder in demselben Haus trennenden „Hausgenossen” nach § 181 Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht ausführbar, so kann die Zustellung nach § 182 ZPO auch dadurch erfolgen, daß das zu übergebende Schriftstück bei der Postanstalt des Zustel...