Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillig Krankenversicherter. Beitragsbemessung. fiktive Mindesteinnahmen. pauschalierende Satzungsregelung. Zulässigkeit. Sozialhilfeempfänger. keine Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen für Familienangehörige

 

Orientierungssatz

1. Die pauschalierende Regelung in einer Kassensatzung als Festlegung fiktiver Mindesteinnahmen in einer die Regelung nach § 240 Abs 4 SGB 5 überschreitenden Höhe, ist unzulässig (BSG vom 15.9.1992 - 12 RK 51/91 = SozR 3-2500 § 240 Nr 9).

2. Für die Beitragsbemessung eines freiwillig krankenversicherten Sozialhilfeempfängers kommt es nicht auf die Höhe der Einnahmen an, die der Familie als Ganzes zufließen, sondern nur auf die dem Versicherten zuzuordnenden Einnahmen, weshalb die den übrigen Angehörigen zufließenden Sozialhilfeleistungen beitragsfrei bleiben und die Kosten der Wohnung nur mit dem auf den Versicherten entfallenen Anteil berücksichtigt werden können (vgl BSG vom 23.11.1992 - 12 RK 27/92 = SozR 3-2500 § 240 Nr 10).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.12.2000; Aktenzeichen B 12 KR 20/00 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrags in der Zeit vom 1.1.1997 bis zum 30.4.1999.

Der 1954 geborene Kläger reiste 1986 mit Ehefrau und sechs Kindern als Asylbewerber in die Bundesrepublik ein und besitzt zwischenzeitlich -- ebenso wie die Familienangehörigen -- eine Aufenthaltsbefugnis. Im streitbefangenen Zeitraum erhielt er für sich und seine im selben Haushalt lebenden Angehörigen vom Beigeladenen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und war bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Neben seiner Ehefrau wurden die Kinder M (geboren 1974), Z (geboren 1979), O (geboren 1984) und M (geboren 1987) als Familienversicherte in den Krankenversicherungsschutz einbezogen; aufgrund eigener Versicherungspflicht schieden die Töchter M (zum 7.11.1997) und Z (zum 1.9.1997) während des streitbefangenen Zeitraums aus der Familienversicherung aus. Die Tochter Ch Ch (geboren 1973) und der Sohn A waren im gesamten streitbefangenen Zeitraum selbst pflichtversichert. Seit dem 1.5.1999 ist der Kläger nach der Aufnahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr freiwillig krankenversichert.

Nachdem letztinstanzlich das Bundessozialgericht (BSG) 1992 Satzungsregelungen der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, die für freiwillig Versicherte und in Heimen lebende Sozialhilfeempfänger eine an der Bezugsgröße orientierte Beitragsfestsetzung vorsahen, für rechtswidrig erachtet hatte, zog die Beklagte freiwillig krankenversicherte Sozialhilfeempfänger bis zum 31.12.1996 auf der Grundlage der Mindestbeitragsbemessungsgrenze nach § 240 Abs 4 S 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Beitragszahlung heran. Mit Wirkung vom 1.1.1997 änderte sie ihre Satzung und legte nunmehr der Beitragsbemessung freiwillig versicherter Sozialhilfeempfänger den 4-fachen Betrag des monatlichen Sozialhilfesatzes Rheinland-Pfalz für Haushaltsvorstände/Alleinstehende zugrunde (§ 22 Abs 2 Buchst f nF, Bl 73 f Prozessakte). Auf der Basis dieser Regelung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15.1.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.6.1997 den ab 1.1.1997 vom Kläger zu zahlenden freiwilligen Krankenversicherungsbeitrag auf monatlich 262,-- DM (Mindestbeitrag 173,44 DM) fest, der sich ab Juli 1997 auf 265,68 DM (Mindestbeitrag zunächst weiterhin 173,44 DM, ab Januar 1998 177,12 DM und ab Januar 1999 180,82 DM) erhöhte, ohne dass über diese Erhöhungen gesonderte Bescheide ergingen. Den Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung setzte die Beklagte ab Januar 1997 auf 36,22 DM (Mindestbeitrag 23,98 DM), ab Juli 1997 auf 36,72 DM (Mindestbeitrag weiterhin 23,98 DM) und ab Januar 1998 auf 37,24 DM (Mindestbeitrag ab Januar 1998 24,48 DM und ab Januar 1999 25,-- DM) fest.

Auf die hiergegen am 17.6.1997 erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz (SG) durch Urteil vom 19.1.1999 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der Regelung des Pflegeversicherungsbeitrages seien die Bescheide bereits formell rechtswidrig, weil der Beklagten als Krankenversicherungsträger für diese Entscheidung die formelle Zuständigkeit gefehlt habe. Bezüglich der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge seien die Bescheide der Beklagten rechtswidrig, weil die zugrunde liegende pauschalierende Satzungsneuregelung mit § 240 SGB V unvereinbar sei. Die Beklagte sei nicht befugt, in ihrer Satzung die beitragspflichtigen Einnahmen für alle freiwillig versicherten Sozialhilfeempfänger unabhängig von der jeweiligen tatsächlichen Bezugshöhe fiktiv oberhalb der Mindesteinnahmen des § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V festzulegen.

Gegen das ihr am 28.1.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.2.1999 Berufung eingelegt, mit der sie sich gegen die Aufhebung ihrer Bescheide wendet, soweit diese die Höhe des Krankenversicherungsbeitrags regeln; hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversic...

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