Orientierungssatz

Zur Versicherungspflicht eines Rechtsanwalts, der in der Kanzlei eines anderen zugelassenen Rechtsanwalts tätig ist.

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 04.07.1978; Aktenzeichen S 9 K 51/77)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 4. Juli 1978 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beigeladenen zu 1) auch die diesem entstandenen außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten. Darüber hinaus sind außergerichtliche Kosten nicht zu ersetzen.

 

Tatbestand

Der Beigeladene zu 1), der in W. eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, und der Kläger, der seit 12. Oktober 1972 als Rechtsanwalt zugelassen ist, haben am 2. Oktober 1972 folgenden Mitarbeitervertragen geschlossen:

§ 1

Beginn der Mitarbeit und Tätigkeit

Herr Assessor B. verpflichtet sich zu freier wissenschaftlicher Mitarbeit bei Herr Rechtsanwalt W. V.. Seine Tätigkeit ist nicht weisungsgebunden. Herr Assessor B. hat die freie Wahl des Arbeitsortes und der Arbeitszeit.

§ 2

Dauer

Dieser Mitarbeitervertrag beginnt am 1. Oktober 1972. Er kann mit einer Frist von 3 Monaten jeweils zum Ende einen Kalenderhalbjahres gekündigt werden.

§ 3

Vergütung

Um unrationelle und schwierige Bewertungen der einzelnen Aufträge zu vermeiden, wird eine monatliche Entgeltpauschale von 2.800 DM (i.W. zweitausendachthundert Deutsche Mark) vereinbart.

§ 4

Herr Rechtsanwalt W. V. stellt Herrn Assessor B. die Aufnahme in eine Anwaltssozietät in Aussicht.

Zumindest ab dem 1. Januar 1973 führten beide Rechtsanwälte nach außen hin eine gemeinsame Kanzlei. Noch bevor es zu der in Aussicht gestellten Anwaltssozietät gekommen war, beendeten die Anwälte des Mitarbeiterverhältnis durch schriftliche Vereinbarung vom 16. März 1974 zum 31. März 1974. Wegen des von dem Beigeladenen zu 1) aufgrund dieser Vereinbarung an den Kläger gezahlten Betrages von 5.000 DM kam es vor dem Landgericht Frankenthal zu einem Rechtsstreit, der damit endete, daß sich der Kläger durch gerichtlichen Vergleich vom 16. Dezember 1976 verpflichtete, an den Beigeladenen zu 1) zur Abgeltung sämtlicher gegenseitiger Ansprüche 2.500 DM zurückzuzahlen.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1976 zeigte der Kläger der Beklagten an, daß er während seiner Tätigkeit in der Kanzlei des Beigeladenen zu 1) vom 1. Oktober 1972 bis 31. März 1974 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, für das Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten gewesen seien. Daraufhin richtet die Beklagte zur Unterbrechung der Verjährung zunächst am 21. Dezember 1976 ein Mahnschreiben an den Beigeladenen zu 1) und stellte dann durch Bescheid vom 24. Februar 1977 Versicherungspflicht des Klägers in der Angestellten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1972 fest, wofür allerdings wegen Verjährung keine Beiträge mehr nacherhoben werden könnten; für die Zeit ab 1. Januar 1973 bis 31. März 1974 verneinte sie eine Sozialversicherungspflicht des Klägers, weil er sich nicht mehr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befunden habe. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies sie durch Bescheid vom 24. Mai 1977 zurück.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat die primär auf Verurteilung der Beklagten zum Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen für die gesamte Zeit vom 1. Oktober 1972 bis 31. März 1974 gerichtete Klage durch Urteil vom 4. Juli 1978 abgewiesen. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Beklagte am 5. April 1979 dagegen antragsgemäß verurteilt, bei dem Beigeladenen zu 1) Beiträge zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung des Klägers für die – noch nicht verjährte – Zeit vom 1. Dezember 1973 bis 31. März 1974 einzuziehen und festgestellt, daß der Kläger auch während der Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. November 1973 der Versicherungspflicht in den beiden Versicherungszweigen unterlegen habe. Es hat insbesondere aus der tatsächlichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit der Rechtsanwälte auf das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses geschlossen. So habe der Beigeladene zu 1) dem Kläger grundsätzlich die zu bearbeitenden Sachen übertragen, zumindest aber die Aufgabenbereiche festgelegt. Entgegen dem Wortlaut des Mitarbeitervertrages habe der Kläger auch seinen Tätigkeitsort ebensowenig frei bestimmen können, wie es ihm freigestellt gewesen sei, über seine Arbeitszeit nach Belieben zu verfügen. Auf die Revision des Beigeladenen zu 1) hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 14. Mai 1981 das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Es hat einem Verfahrensmangel darin gesehen, daß das LSG seine Feststellungen offensichtlich auf der Grundlage des von ihm aus den „verschiedenen Darstellungen der Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit” Entnommenen getroffen und es abgelehnt habe, die von dem Beigeladenen zu 1) zum Beweis entscheidungserheblicher Umstände benannte frühere Kanzleiangestellte Sch. als Zeugin zu vernehmen.

Im Verlauf des weiteren Verfahrens hat...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge