Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliches Leistungsvermögen. qualitative Leistungseinschränkungen. Medizinische Beweiswürdigung

 

Orientierungssatz

Zur Relevanz einer von den behandelnden Ärzten angenommenen dauerhaften Arbeitsunfähigkeit bei der Prüfung einer verminderten Erwerbsfähigkeit iS des § 43 SGB 6 (vgl LSG Schleswig vom 13.1.2015 - L 7 R 103/13 = juris RdNr 35).

 

Normenkette

SGB VI §§ 43, 240

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.02.2018; Aktenzeichen B 13 R 28/17 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 15.02.2016 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1961 geborene Kläger hat eine 1976 begonnene Berufsausbildung als Bäcker nicht abgeschlossen, war als Bauhelfer, Lkw-Beifahrer und Lagerarbeiter bis 1991 und nach Zeiten der Arbeitslosigkeit bis 2004 in einem Getränkemarkt und einer Tankstelle beschäftigt. Er bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Anträge des Klägers auf Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus den Jahren 2005 und 2008 hatten keinen Erfolg (Rechtsstreit vor dem Sozialgericht (SG) Mainz S 13 R 564/09).

Auf einen erneuten Antrag vom Mai 2012 zog die Beklagte einen Befundbericht bei der Ärztin B. W. bei und veranlasste ein Gutachten vom 17.10.2012 durch den Facharzt für Chirurgie P . Dieser stellte folgende Diagnosen: “Chronische Zervikobrachialgie bei multisegmentalen Bandscheibenprotrusionen und Osteochondrosen C6 bis C7 mit mäßiggradiger Bewegungseinschränkung ohne radikuläre Kompressionssymptomatik; Chronische Lumbago bei multisegmentaler Bandscheibenprotrusion L2 bis S1 mit endgradiger Bewegungseinschränkung ohne radikuläre Kompressionssymptomatik; Posttraumatische OSG-Arthrose rechts bei Zustand nach konservativ behandelter Außenbandruptur rechts (privater Unfall) mit leichter Beeinträchtigung der Gehfähigkeit, ohne Bewegungseinschränkung„. Er erachtete den Kläger für in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 26.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2013 ab.

Der Kläger hat am 07.06.2013 Klage bei dem SG erhoben. Das SG hat Befundberichte bei Dr. v. N., Dr. B., Dr. A. W. und bei der Ärztin B. W. beigezogen.

Außerdem hat das SG bei Dr. L. ein fachinternistisches Gutachten vom 17.03.2014 eingeholt. Er hat an sozialmedizinisch relevanten Diagnosen ein Wirbelsäulensyndrom mit Schmerzen an der Wirbelsäule bei Verschleiß, eine Arthralgie des rechten Sprunggelenks mit Schmerzen bei Verschleiß und verletzungsbedingter Lockerung von Bändern sowie eine chronische Bronchitis mit Lungenemphysem festgestellt und ausgeführt, dass es diese Gesundheitsstörungen dem Kläger ermöglichten, noch leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig auszuführen.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 15.02.2016 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da weder die Voraussetzungen einer vollen noch einer teilweisen Erwerbsminderung vorlägen. Er sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten wenigstens 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Hierbei hat sich das SG auf das Gutachten des Dr. L. gestützt.

Gegen das ihm am 09.05.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.06.2016 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass er überhaupt keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten könne. Dies ergebe sich aus den Attesten seiner behandelnden Ärzte und aus den vorliegenden Arztberichten. Es sei eine Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen gegeben und es bestehe das Risiko einer häufigen Arbeitsunfähigkeit. Notwendig sei die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens. Der Kläger hat ein Attest des Dr. J. vom 09.03.2017, einen radiologischen Bericht des Dr. W. vom 10.03.2017 sowie einen Bericht des PD Dr. H. aus dem Klinikum W. vom 28.03.2017 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 15.02.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend und bezieht sich auf eine Stellungnahme der Beratungsärztin S. vom 26.07.2016.

Der Senat hat im Wege der Beweisaufnahme ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. N. vom 03.02.2017 mit ergänzender Stellungnahme vom 12.04.2017 veranlasst. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen erhoben: “Degeneratives Zervikal- und Lumbalsyndrom ohne Wurzelreiz- oder -ausfallssymptome; Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch; Episodischer Spannungskopfschmerz. „Er hat den ...

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