nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung. politische Internierung. Kriegsgefangenschaft. Bindewirkung. Arbeitslosigkeit Anschlußersatzzeit. Fehlerfortpflanzung
Leitsatz (amtlich)
Die irrtümliche Anerkennung einer politischen Internierung als Kriegsgefangenschaft und damit als Ersatzzeit entfaltet eine Bindewirkung des Rentenbescheides nicht dahingehend, daß nunmehr auch die folgende Arbeitslosigkeit als Anschlußersatzzeit anerkannt werden muß. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Fehlerfortpflanzung.
Normenkette
RVO § 1251 Abs. 1 Nrn. 1-2; SGG § 77
Verfahrensgang
SG Trier (Urteil vom 06.02.1975; Aktenzeichen S 4 J 269/75) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 6. Februar 1975 wird zurückgewiesen.
2. Auch in der Berufungsinstanz haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bei der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zusätzlich eine behauptete Zeit der Arbeitslosigkeit von September 1946 bis September 1950 zu berücksichtigen hat.
Der am … 1906 in D. bei G. geborene Kläger war seit 1920 abwechselnd Dachdecker, Bauarbeiter, Holzhauer, Landarbeiter und arbeitslos, bis er sich Ende 1933 mit eigenem Pkw als Mietwagenunternehmer selbständig machte. Möglicherweise erzielte er nicht sofort einen ausreichenden wirtschaftlichen Erfolg; denn laut Auskunft der AOK D. vom 18. November 1971 an die Beklagte war er von Januar 1934 bis Oktober 1935 durch die Niedersächsische Tageszeitung in G. bei ihr als Mitglied angemeldet. Nach dieser Auskunft behielt er seine Mitgliedschaft von November 1935 über die Zeit seiner Abwesenheit während des Krieges hinaus bis zu einer Arbeitslosmeldung am 1. September 1949 freiwillig bei. Im September 1950 eröffnete er am E. 19 in D. eine Pappformstanzerei, in welcher er später je nach Aufträgen zwischen 4 und 8 Mitarbeiter beschäftigte. Den Betrieb gab er auf, nachdem er im März 1968 bei einem Verkehrsunfall nachhaltige Verletzungen erlitten hatte. Seitdem erhält er von der Berufsgenossenschaft Druck- und Papierverarbeitung in H. eine Unfallrente. Nach Trennung von seiner ersten Ehefrau (Heirat 1931) war der Kläger 1969/70 im Wechsel mit mehreren Erkrankungen, darunter einem Herzinfarkt, noch einige Monate in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz als Hilfskraft beschäftigt, namentlich im Textil- und Hotelgewerbe. Aufgrund Bescheides der Beklagten vom 21. Juli 1972 bezieht er rückwirkend seit Juli 1970 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (anfangs 264,60 DM monatlich). Dem Versicherungsverlauf zu diesem Bescheid, Anlage 18, hat die Beklagte Ersatzzeiten durch „militärischen Dienst” vom 11. Dezember 1939 bis 7. März 1942 sowie vom 1. Oktober 1942 bis 31. August 1946 zugrundegelegt.
Mit seiner am 18. August 1972 beim Sozialgericht Trier eingegangenen Klage hat der Kläger eine Unvollständigkeit gerügt und zur Begründung vorgebracht: Die Ersatzzeit verlängere sich im Anschluß an die Kriegsgefangenschaft um mehrere Jahre bis zur Eröffnung der Pappformstanzerei im September 1950. Bis dahin sei er arbeitslos gewesen. Ausweislich des Stempels auf seinem Entlassungsschein habe er sich schon am 3. September 1946 bei der Nebenstelle D. des Arbeitsamtes Northeim gemeldet. Aber als ehemaligem Angehörigen der Waffen-SS sei ihm keine Arbeit vermittelt worden. Er habe nur „Erwerbslosengeld” erhalten. Notgedrungen habe er sich wieder selbständig machen müssen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anrechnung der Zeit vom 15. September 1946 bis 16. September 1950 eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Außer dem Stempelaufdruck auf dem Entlassungsschein gebe es keinerlei Anhaltspunkte für eine Arbeitslosmeldung des Klägers. Aber auch der Stempel besage nichts. Vermutlich sei die Meldung nur erforderlich gewesen, um seinerzeit Lebensmittelkarten zu erhalten. Wäre er wirklich schon seit September 1946 als Arbeitsloser registriert gewesen, hätte ihn das Arbeitsamt nicht erst zum 1. September 1949 bei der AOK D. als Unterstützungsempfänger gemeldet. Darüber hinaus habe die Beweisaufnahme des Sozialgerichts ergeben, daß er nicht ernstlich an abhängiger Arbeit interessiert gewesen sei, sondern sich lieber mit den damaligen Schwarzhandelsgeschäften befaßt habe.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung mehrerer Zeugen im Wege der Rechtshilfe. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Vernehmungsniederschriften des ersuchten Amtsgerichts D. vom 25. Februar 1974 (geschiedene Ehefrau J. M. geb. L., GA Bl. 33–34), vom 14. März 1974 (Bruder W. M., GA Bl. 35, 36), vom 19. März 1974 (ehemaliger Amtsinspektor K. von der AOK D. und früherer Schlosser L., GA Bl. 37, 38) und vom 23. Oktober 1974 (Schwiegersohn H., GA Bl. 85, 86). Sodann hat das Sozialgericht Trier durch Urteil vom 6. Februar 1975 die Klage abgewiesen. Zu...