Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeit. selbstständiger Bäckermeister. Facharbeiter. Verweisbarkeit. gehobene Bürohilfskrafttätigkeiten nach Vergütungsgruppe VIII BAT. kaufmännische Grundkenntnisse. Computerkenntnisse. Einarbeitung. Registrator
Leitsatz (amtlich)
Es kann derzeit offen bleiben, ob zwischenzeitlich auf Grund der technischen Entwicklung im Bereich der Bürotätigkeiten auch in einer Poststelle für die Verweisungstätigkeit der sog Bürohilfskrafttätigkeiten nach BAT VIII Fallgruppe 1a Computerkenntnisse erforderlich sind. Jedenfalls ist ein Versicherter, der den Berufsschutz eines Facharbeiters genießt, in der Lage, sich die geforderten Computerkenntnisse in einer längstens bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung unter Anleitung anzueignen, wenn er über ein durchschnittliches allgemeines intellektuelles Leistungsvermögen und eine durchschnittliche Wahrnehmungs- und Bearbeitungsgeschwindigkeit verfügt.
Orientierungssatz
1. Sogenannte gehobene Büro- (Hilfskraft-) Tätigkeiten der Vergütungsgruppe VIII BAT, Fallgruppe 1a, wie zB die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde, oder auch die Tätigkeit einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation eines Rentenversicherungsträgers, sind einem Facharbeiter grundsätzlich zumutbar (vgl LSG Mainz vom 26.6.1995 - L 2 I 248/94 und LSG Mainz vom 26.5.1997 - L 2 I 47/95).
2. Versicherte, die in ihrem beruflichen Leben ausschließlich im gewerblich-handwerklichen Bereich tätig waren, kommen für gehobene Bürohilfskrafttätigkeiten nach Vergütungsgruppe VIII BAT regelmäßig nicht in Betracht, weil es diesen an den hierfür erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnissen mangelt.
3. Selbstständige Handwerksmeister, die eine Meisterprüfung nach der Verordnung über gemeinsame Anforderungen in der Meisterprüfung im Handwerk (MeistPrAnfV) vom 12.12.1972 (BGBl I 1972, 2381) abgelegt haben, verfügen über die notwendigen kaufmännischen Grundkenntnisse.
Normenkette
SGB VI a.F. § 43 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der 1952 geborene Sohn der Klägerin, der im Verlauf des Berufungsverfahrens 2003 verstarb, hat den Beruf des Bäckers erlernt und 1974 die Meisterprüfung mit Erfolg abgeschlossen. In der Folge übernahm er nach dem Tode seines Vaters 1988 den elterlichen Betrieb, in dem außer ihm noch ein Geselle beschäftigt war. Im Jahr 1991 erfolgte die Eintragung in die Handwerksrolle. Nach seinen eigenen Angaben führte er lediglich die im Betrieb anfallenden handwerklichen Arbeiten, nicht jedoch die anfallenden Bürotätigkeiten, wie etwa Führung des Tageskassenbuches, Lohnabrechnung für den Gesellen, Warenbestellung und -entgegennahme aus. Diese wurden von der Klägerin im Zusammenwirken mit der Steuerberaterin erbracht.
Ab dem 1.1.1991 zahlte der Sohn der Klägerin als selbstständiger Bäckermeister freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von zunächst monatlich 105 DM. Am 17.1.1991 wurde er in die Handwerksrolle eingetragen. Mit Wirkung zum 31.3.1998 widerrief er die Ermächtigung zur Abbuchung der von ihm geleisteten freiwillige Beiträge. Die Beklagte beendete darauf hin mit Bescheid vom 24.4.1998 die freiwillige Versicherung. Am 27.4.1998 wurde der Handwerksbetrieb eingestellt.
Am 3. April 1998 beantragte der Sohn der Klägerin erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit unter Berufung auf ein Attest der Ärzte für Allgemeinmedizin Dres. B vom 31.3.1998 sowie mehrere Arztbriefen, in denen über verschiedene Erkrankungen aus dem orthopädischen Formenkreis sowie über einen Blasentumor berichtet wurde.
Ein von der Beklagten veranlasstes, unter dem 13.5.1998 erstelltes allgemeinärztlich- sozialmedizinisches Gutachten ihrer Gutachterstelle (Dr. R ) nannte folgende Gesundheitseinschränkungen:
1. Stadium der Heilungsbewährung bei Zustand nach Tumorresektion der Blase 11/97 bei Urothelkarzinom und Zustand nach Nachresektion 1/98 mit erneutem Tumorwachstum und zweiter Sicherungsresektion 3/98.
2.Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II b.
3.Bluthochdruckleiden.
4.Chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom mit mäßigen Bewegungseinschränkungen bei degenerativen Veränderungen.
5.Coxarthrose 1. bis 2. Grades beidseits mit Innenrotationseinschränkung.
6.Mediale Gonarthrose beidseits mit Funktionsschmerzen ohne Bewegungseinschränkungen.
7.Hepatopathie, am ehesten äthyl-toxischer Genese.
8.Chronisch-venöse Insuffizienz mit leichten statischen Blutumlaufstörungen bei Zustand nach Varizenoperation beidseits 5/97.
9.Adipositas.
Hinsichtlich des dem Sohn der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögens wurde ausgeführt, dass er noch für leichte bis zeitweise mittelschwere Tätigkeiten in Tagschicht, in Werkhallen und temperierten Räumen, in wechselnder Körperhaltung und ohne häufiges Knien, unter Ausschluss von Akkordarbeiten und Besteigen von Leitern und Gerüsten vollschichtig einsetzbar sei.
Mit Bescheid vom 19.6.1998 wurde der Antrag a...