Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 12.02.1997; Aktenzeichen S 6 U 318/95)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12.2.1997 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin bei der Betreuung ihrer Enkelin unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Die 1935 geborene Klägerin lebt mit ihrer berufstätigen Tochter G. K. und deren Familie in getrennten Eigentumswohnungen in einem Dreifamilienhaus. Ihre Tochter ist die Mutter des im Februar 1989 geborenen Kindes J.. Seit August 1992 (Aufnahme in den Kindergarten) betreut die Klägerin ihre Enkelin während der berufsbedingten Abwesenheit der Eltern. Seit der Aufnahme in den Kindergarten bis zur Einschulung im Jahre 1995 holte die Klägerin J. regelmäßig montags bis freitags zwischen 11.00 Uhr und 12.00 Uhr vom Kindergarten ab. Nach dem gemeinsamen Mittagessen blieb das Kind in ihrer Obhut bis die Eltern zwischen 16.00 Uhr und 17.00 Uhr von der Arbeit zurückkehrten. Auch nach der Einschulung wurde J. von der Klägerin weiterhin am Nachmittag betreut.

Bis zu der Einschulung erhielt die Klägerin von ihrer Tochter für die Betreuung monatlich einen Betrag in Höhe von 250,– DM bar ausgezahlt. Seit der Einschulung wird für die Beaufsichtigung der Enkelin nichts mehr gezahlt. Die Klägerin war bereits zu Beginn der Betreuung im Jahre 1992 nicht mehr erwerbstätig und bezieht eine Versichertenrente.

Am 18.2.1993 stürzte die Klägerin beim Abholen ihrer. Enkelin vom Kindergarten wegen einer Vertiefung im Gehweg, wobei sie sich im Wesentlichen einen Trümmerbruch im rechten Handgelenk zuzog. Dieser Unfall wurde der Beklagten mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.1.1994 angezeigt.

Nach persönlicher Befragung der Klägerin durch eine Mitarbeiterin der Beklagten wurde mit Bescheid vom 25.8.1994 die Gewährung von Entschädigungsleistungen mit der Begründung abgelehnt, dass ein Arbeitsunfall nach § 548 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorgelegen habe. Es habe weder ein Beschäftigungsverhältnis nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO bestanden, noch habe eine versicherte Tätigkeit nach § 539 Abs. 2 RVO vorgelegen, da es sich lediglich um eine familiäre Hilfeleistung gehandelt habe. Darüber hinaus habe es sich auch um eine unentgeltliche Beschäftigung im Haushalt gehandelt, die gemäß § 541 Abs. 1 Nr. 5 RVO versicherungsfrei sei. Der Betrag von monatlich 250,– DM könne nicht als Entgelt für geleistete Arbeit bewertet werden, da es sich nicht um eine adäquate Gegenleistung handele und außerdem der Zahlung auch Aufwendungen, zB für das Mittagessen, entgegenstünden.

Im Widerspruchsbescheid vom 3.7.1995 wurde ergänzend ausgeführt, aus dem von der Klägerin herangezogenen Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.6.1993 (L 3 U 19/93) lasse sich kein anderes Ergebnis begründen, da wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Dauer und des Umfangs der Betreuungstätigkeit bestünden.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich angehört und mit Urteil vom 12.2.1997 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin wegen der Folgen des Unfalles vom 18.2.1993 zu entschädigen. Es könne letztlich offen bleiben, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe, da jedenfalls eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nach § 539 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 RVO gegeben sei. Es habe sich der Art nach um eine Tätigkeit gehandelt, die auch von einer dem allgemeinen Arbeitsmarkt zurechenbaren Person, z.B. einer Tagesmutter, verrichtet werden könne. Die Handlungstendenz sei maßgeblich auf die Entlastung der Tochter gerichtet gewesen, um dieser eine Berufstätigkeit zu ermöglichen. Es habe sich auch nicht um einen durch die familiäre Beziehung geprägten Gefälligkeitsdienst gehandelt. Dies sei vom LSG Rheinland-Pfalz in dem Urteil vom 16.6.1993 in einem vergleichbaren Fall so entschieden und vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 5.7.1994 (2 RU 24/93) bestätigt worden. Schließlich habe auch keine Versicherungsfreiheit gemäß § 541 Abs. 1 Nr. 5 a RVO bestanden. Diese Vorschrift finde zwar grundsätzlich auch auf den Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs. 2 RVO Anwendung, da es sich hierbei um einen subsidiären Versicherungsschutz für eine in der Regel unentgeltliche Tätigkeit handele. Jedoch könne der hier gezahlte Betrag von 250,– DM monatlich, dem keine wesentlichen Aufwendungen gegenüber gestanden hätten, nicht als ein offensichtlich nur symbolisch gewährtes Entgelt angesehen werden. Eine Geringfügigkeitsgrenze habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen; die Regelung in § 8 SGB IV könne insoweit nicht herangezogen werden.

Gegen das am 7.5.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.5.1997 Berufung eingelegt.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die von der Klägerin ausgeübte Betreuungstätigkeit aufgrun...

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