nicht rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

Nach einem sozialgerichtlichen, Rente zusprechenden Grundurteil ist dem betroffenen Versicherungsträger nicht verwehrt, in seinem Ausführungsbescheid alle den Rentenanspruch vorübergehend ganz oder teilweise verdrängenden Zeiträume mit gesetzlichen Leistungskonkurrenzen zu berücksichtigen, die hoch kein Streitgegenstand gewesen sind (z.B. Aufrechnung, Anrechnung, Verrechnung, auch Übergangsgeld). Allein aus der Nichterwähnung im Grundurteil ist eine Bindung ebenso wenig wie bei den erst im Ausführungsbescheid zu behandelnden Berechnungsfaktoren der Rente herzuleiten.

 

Normenkette

RVO §§ 1240, 1241d; SGG §§ 123, 130; ZPO § 304

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 30.01.1976; Aktenzeichen S 6 J 56/75)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.10.1977; Aktenzeichen 4 RJ 147/76)

 

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30. Januar 1976 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte dagegen, daß sie verurteilt worden ist, dem Kläger ab September 1974 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Der 1938 geborene Kläger ist gelernter Maler und Anstreicher und als solcher seit 1954 beschäftigt gewesen, bis ihm sein damaliger Arbeitgeber, der Malermeister D. in B.-D. zum 9. September 1970 kündigte. Vom 10. September 1970 bis 6. Februar 1972 bekam der Kläger Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld, ab 27. Juni 1972 Arbeitslosenhilfe und ab Anfang März 1973, nachdem er beim DRK-Berufsförderungswerk in B. eine Umschulung zum Bauzeichner begonnen hatte, Übergangsgeld. Die Umschulung war von November 1973 bis einschließlich Februar 1974 durch Krank- und Arbeitslosmeldung unterbrochen. Er setzte sie im folgenden Monat fort. Aber wegen einiger Leistungsschwächen wurde er nicht mehr in das mit der 2. Jahreshälfte beginnende Semester übernommen. Er erhielt ab August 1974 wieder Arbeitslosenhilfe. Im Dezember 1974 unterzog er sich im Berufsförderungswerk E. in R. einer weiteren Eignungsprüfung. Am stärksten zeigte er sich an einer Ausbildung zum Fachkontrolleur interessiert (mit Rechnungsvorförderung). Eine solche Umschulung erklärte das Arbeitsamt Mayen der Beklagten gegenüber für nicht empfehlenswert, weil im Einzugsgebiet des Wohnortes kaum eine Eingliederungsmöglichkeit bestehe; außerdem handele es sich wohl nicht um eine echte Rehabilitation hinsichtlich seines Ausbildungsberufes. Am 3. Oktober 1973 teilte das Arbeitsamt Mayen der Beklagten mit, daß es den Kläger ab sofort als Nachtportier zum S.hotel in M. L. habe vermitteln können, jedoch zu beachten bitte, daß er mit dieser Arbeitsaufnahme keinesfalls echt rehabilitiert sei. In der Erwägung, daß er nur einen Bruttomonatslohn von 1.000,– DM habe, erließ es ihm die Rückzahlung eines Überbrückungsdarlehens.

Am 27. August 1974 hatte der Kläger beantragt, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Dazu nahm in seinem Gutachten vom 2. Oktober 1974 der Internist Dr. K. von der Gutachterstation der Beklagten in A. im wesentlichen folgendermaßen Stellung: Der infolge hochgradiger Wirbelsäulenverkrümmung – mit Buckelbildung – kleinwüchsige Mann in mäßigem Allgemein- und Kräftezustand (154 cm/47,3 kg) gebe Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und des Brustkorbes an. Auch die Thoraxschmerzen müßten in erster Linie als vertebragen und noch nicht als herzbedingt angesehen werden. Seine Hypotonie (in Ruhe 100/70 und 3 Minuten nach Belastung 105/70 mm Hg bei einem Puls von 88) sei noch nicht mit Zeichen einer Herz-Kreislaufinsuffizienz oder einer Rechtsherzüberlastung im Sinne eines Cor-pulmonale verbunden. Auch ein leichtes Lungenemphysem gebe noch keine Hinweise auf eine respiratorische Insuffizienz. Aber mit Sicherheit sei er den Belastungen des Maler- und Anstreicherberufes nicht mehr gewachsen. Aus internistischer Sicht seien nur noch leichte Tätigkeiten in temperierten Räumen mit guter Luft möglich. Mit dieser Beurteilung stimmten der Oberarzt Dr. O. und der Stationsarzt Dr. R. von der Orthopädisch-Chirurgischen Klinik (H.-H.) in N. überein. In ihrem Gutachten vom 22. November 1974 führten sie aus: Die ausgeprägte Kypho-Skoliose des Antragstellers sei mit schmerzhaften Verspannungen der großen Rückenmuskulatur und mit Schmerzen im Bereich der linken Thoraxseite verbunden. Bei einer Beschäftigung mit leichten körperlichen Arbeiten in geschlossenen Räumen müsse er außerdem vorwiegend sitzen können. Die deutliche Verschlechterung seines Krankheitsbildes (bei einem Vergleich mit Röntgenaufnahmen von 1960) schließe unter allen Umständen ein Heben und Tragen schwerer Lasten sowie eine gebückte Körperhaltung während der Arbeit aus. Durch Bescheid vom 30. Dezember 1974 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ohne Begründung ab.

Mit seiner am 24. Januar 1975 beim Sozialgericht Koblenz eingegangenen Klage hat der Kläger vorgebracht: Nachdem feststehe, daß er nicht mehr als Maler und Anstreicher verwendet werden könne...

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