Leitsatz (amtlich)
1. Eine Versicherte ohne pädagogische Erfahrungen ist für die Zeit ihrer Lehrertätigkeit und gleichzeitigen Ausbildung zur Lehrerin an Volksschulen in der DDR bis zur Ablegung der zweiten Lehrerprüfung nur in die Leistungsgruppe B 3 der Anlage 1 zu FRG § 22 einzustufen.
2. Die zusätzliche Ausbildung, der sich Lehrerinnen und Lehrer aus der DDR für die Ausübung ihres Berufes in der Bundesrepublik unterziehen mußten, ist keine Ersatzzeit.
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 28.02.1977; Aktenzeichen S 6 A 223/75) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28. Februar 1977 wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28. Februar 1977 geändert. Die Klage wird in vollem Umfange abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in keinem der beiden Rechtszüge zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Einstufung und um die Anrechnung einer weiteren Ausbildungszeit bei der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin.
Die 1916 geborene Klägerin leistete nach dem Abitur zunächst freiwillig Arbeitsdienst und arbeitete anschließend von Januar 1937 bis März 1944 in verschiedenen Industriebetrieben in A./Sachsen, B. und L. versicherungspflichtig als Export- und Auslandskorrespondentin. Sie nahm dann das Studium der Volkswirtschaft auf, das als wegen der Kriegsereignisse im Dezember 1944 abbrechen mußte.
Am 1. November 1945 trat die Klägerin in den ostzonalen Schuldienst ein und setzte seitdem gleichzeitig eine im August 1945 begonnene Lehrerausbildung fort. Sie lehrte zunächst bis Mitte Oktober 1947 als Lehramtsbewerberin an der Grundschule (Volksschule) in A./Sachsen, dann bis August 1949 als Lehramtsbewerberin an dar Grundschule in H./Thüringen, anschließend bis August 1952 als Lehrerin an der Grundschule G./Thüringen und bis 19. September 1953 als Mittelstufenlehrerin und Schulleiterin an der Grundschule W./Thüringen. Die erste Lehrerprüfung hatte sie am 1. Dezember 1947, die zweite Lehrerprüfung am 20. Dezember 1949 abgelegt. Am 20. September 1953 flüchtete sie in die Bundesrepublik. Hier studierte sie vom 27. April 1954 bis zum 31. März 1955 an der Pädagogischen Akademie in W.; die beiden Lehrerprüfungen bestand sie im März 1955 und Juli 1957. Diese weitere Ausbildung war Voraussetzung für die Übernahme in den rheinland-pfälzischen Schuldienst, dem die Klägerin als Beamtin ab 1. April 1955 angehörte. Ab 1. Juni 1972 ist sie als Oberlehrerin aus Gesundheitsgründen vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden.
Die Beklagte gewährte der Klägerin durch Bescheid vom 20. März 1973 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit mit teilweiser Rentenversagung, weil die Klägerin sich geweigert hatte, eine angebotene Heilbehandlung anzunehmen. Den Eintritt des Versicherungsfalles setzte die Beklagte auf den 12. September 1970 fest. Sie lehnte die Anerkennung und Anrechnung der weiteren Lehrerausbildung in Worms als Ersatz- und auch als Ausfallzeit ab und berücksichtigte die Lehrertätigkeit im Gebiet der heutigen DDR aufgrund einer bereits durch Bescheinigung vom 26. August 1966 nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vorgenommenen Zusammenstellung und Einstufung. Die Beklagte hat in dieser Bescheinigung die Zeiten vom 1. Januar 1946 bis zum 15. Dezember 1949 der Leistungsgruppe 4 und vom 16. Dezember 1949 bis zum 31. August 1953 unter Einschluß einer Ausfallzeit vom 1. März bis zum 30. Juni 1951 der Leistungsgruppe 3 der weiblichen Angestellten (B) nach der Anlage 1 zum FRG zugeordnet.
In dem gegen den Rentenbescheid vom 20. März 1973 gerichteten Klageverfahren (SG Koblenz S 6 A 132/73) erkannte die Beklagte das Vorliegen einer durchgehenden andauernden Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin an. Durch Bescheid vom 12. September 1974 führte die Beklagte dieses Anerkenntnis aus. In dem daraufhin wegen der Rentenhöhe durchgeführten Klageverfahren (SG Koblenz S 6 A 457/74) erklärte die Beklagte sich bereit, die Einstufung für die Zeit von 1946 bis 1953 und die Frage der Anerkennung und Anrechnung der weiteren Ausbildung an der Pädagogischen Akademie in W. zu überprüfen, wobei sie die Klageerhebung als Widerspruch ansehe. Durch Widerspruchsbescheid vom 19. August 1975 lehnte die Widerspruchsstelle der Beklagten eine höhere Einstufung der Klägerin und die Berücksichtigung der weiteren Lehrerausbildung in W. bei der Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente ab.
Mit der dagegen am 10. September 1975 zum Sozialgericht Koblenz erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf höhere Einstufung (Leistungsgruppe B 3 von Januar 1946 bis November 1947 oder bis 19. Dezember 1949 und Leistungsgruppe B 2 ab Dezember 1947 oder ab 20. Dezember 1949) und Anrechnung der weiteren Lehrerausbildung als Ersatz- oder Ausfallzeit weiterverfolgt.
Sie hat vorgetragen: Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. November 1971 – 1 RA 125/70 – seien ausgebildete Lehrerinnen in die Leistungsgruppe B 2 einzustufen. Das ...