Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungspflicht von Arbeitgebern. zugelassener Maßnahmeträger als Arbeitgeber- Anrechnung von beschäftigten Behinderten auf die Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen. Nichtberücksichtigung der von der Bundesagentur für Arbeit zugewiesenen Maßnahmeteilnehmern. Arbeitsplatzbegriff

 

Orientierungssatz

Ein zugelassener Maßnahmenträger, der von der Bundesagentur für Arbeit zur Durchführung von Maßnahmen gem § 117 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB 3 schwerbehinderte Maßnahmeteilnehmer zugewiesen bekommt, kann diese Teilnehmer bei der Feststellung seiner Pflicht als Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf die Zahl der besetzten Pflichtarbeitsplätze anrechnen, da diese Stellen auf denen die Maßnahmeteilnehmer beschäftigt wurden, keine Arbeitsplätze iS von § 73 Abs 1 SGB 9 darstellen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.03.2021; Aktenzeichen B 11 AL 3/20 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.02.2018 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte die Anzahl der Beschäftigten festgestellt hat, die auf die Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen anrechenbar sind.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Nach § 2 seiner Satzung besteht der Vereinszweck im Wesentlichen in der Unterhaltung von Einrichtungen und Schulen, die nach den Grundsätzen der katholischen Kirche Kindern, Jugendlichen, jungen Volljährigen und körperlich und geistig behinderten Menschen sowie sozial benachteiligten Menschen durch die Bereitstellung von Einrichtungen und Diensten der Erziehungshilfe, der Gesundheits- und Behindertenhilfe sowie von schulischen und beruflichen Angeboten helfen sollen. Im Sinne des (i.S.d.) Vereinszweckes ist der Kläger Träger des Jugendwerks St. J in L mit 400 eigenen Mitarbeitern. Das Jugendwerk St. J ist der Trägerverein für vier Einrichtungen - u.a. dem Jugendwerk L - und zwei Schulen. Es ist Träger der Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und bietet in Kooperation mit der Beklagten und den Jobcentern der Region Maßnahmen der beruflichen Bildung nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch an. Zu diesem Zweck wurde das Jugendwerk L von der Beklagten als Maßnahmeträger zur Durchführung von Maßnahmen der Berufswahl und Berufsausbildung nach dem dritten Abschnitt des 3. Kapitels des Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und zu Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach dem Siebten Abschnitt des 3. Kapitels SGB III zugelassen. Die Beklagte hat mit dem Jugendwerk St. J bzw. dem Jugendwerk L am 14.05.2013 einen Vertrag über die Durchführung von Maßnahmen nach § 117 Abs. 1 Nr. 1a SGB III in vergleichbaren Einrichtungen nach § 35 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.)) geschlossen. Nach § 1 Abs. 3 dieses Vertrags hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zuweisung von Teilnehmenden durch die Beklagte. Gleichwohl nimmt er unter Berücksichtigung seiner möglichen Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen jeden von der Beklagten zugewiesenen Teilnehmenden auf. Eine Aufnahmepflicht besteht bis zu der von dem Kläger selbst festgelegten Platzzahl. In der Anlage des Vertrags ist die Aufnahmekapazität für die Maßnahmen in den einzelnen Berufsfeldern (z.B. Elektrotechnik) und der von der Beklagten an den Kläger jeweils zu zahlende Monatspreis aufgeführt. Bei diesem Preis handelt es sich gem. § 19 des Vertrags um einen Festpreis, durch den alle Leistungen abgegolten werden, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der jeweiligen Maßnahme erforderlich sind.

Die Beklagte wies dem Jugendwerk L zur Durchführung von Maßnahmen nach § 117 Abs. 1 Nr. 1a SGB III in Verbindung mit § 35 SGB IX (a.F.) u.a. die drei schwerbehinderten Maßnahmeteilnehmer J N  , geboren 1994, D S , geboren 1993, und J S , geboren 1994, zu. Die Maßnahmeteilnehmerin N absolvierte beim Jugendwerk L in der Zeit vom 19.08.2013 bis zum 18.08.2016 eine Ausbildung zur Werkerin im Gartenbau (Maßnahme 543/202/13). Anlässlich dieser Ausbildung schloss der Kläger mit Frau N einen Berufsausbildungsvertrag über die dreijährige Ausbildung. Eine Ausbildungsvergütung wurde von dem Kläger nicht gezahlt, vielmehr förderte die Beklagte die Ausbildung durch Gewährung von Ausbildungsgeld an die Teilnehmerin. Die Beklagte übernahm auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Der Kläger erhielt als Maßnahmeträger für die Durchführung der Maßnahme von der Beklagten den vertraglich vereinbarten Festpreis überwiesen. Das gleiche galt für den Maßnahmeteilnehmer S , der für die Zeit vom 19.08.2013 bis zum 18.08.2016 ebenfalls eine Berufsausbildung zum Werker im Gartenbau bei dem Kläger durchführte, sowie für J S , die vom 10.08.2012 bis zum 09.08.2015 eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin (Maßnahme 543/202/11) bei dem Kläger durchli...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge