Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsschadensausgleich. Ausgleichsrente. Einkommensfeststellung. Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. fiktive Anrechnung. Einkommensminderung ohne verständigen Grund. Gläubigerbenachteiligung. sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

 

Orientierungssatz

Zur fiktiven Anrechnung einer dem Beschädigten zustehenden - aber nicht beantragten - Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Feststellung der Höhe des Berufsschadenausgleichs und der Ausgleichsrente nach dem BVG.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Feststellung der Höhe des Berufsschadensausgleichs und der Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine dem Kläger zustehende -- aber nicht beantragte -- Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten (fiktiv) anzurechnen ist.

Der ....1930 geborene Kläger erlitt im Februar 1945 infolge der Explosion einer in seinem Heimatort zurückgelassenen Panzerfaust einen Hirnprolaps. Zuletzt mit Bescheid vom 14.8.1964 sind bei ihm als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH gemäß § 30 Abs 1 und 2 BVG anerkannt:

1.  Schädelhirnverletzung mit Knochendefekt über dem rechten Scheitelbein und rechtem Stirnbein, Gehirnstecksplitter, allgemeine Hirnleistungsschwäche.

2.  Multiple Weichteilstecksplitter am Rumpf und Extremitäten, reizlos eingeheilt.

Der berufliche Werdegang des Klägers gestaltete sich wie folgt: Von 1936 bis 1944 besuchte er die Volksschule. Im Anschluss daran war er bis zu seiner Verletzung im Februar 1945 kaufmännischer Lehrling in der Schuhfabrik "Löwenberg", deren Teilhaber sein Vater war. Von 1946 bis 1948 besuchte er die Handelsschule in L; danach war er als kaufmännischer Angestellter überwiegend in der Schuhfabrik "Löwenberg" sowie in anderen Unternehmen dieser Branche versicherungspflichtig beschäftigt. Ab Juni 1969 war er Gesellschafter eines Bauunternehmens, das im August 1973 wegen Zahlungsunfähigkeit in Konkurs fiel. Durch Bescheide vom 13.6.1965 und 13.1.1983 gewährte der Beklagte dem Kläger Berufsschadensausgleich nach der Leistungsgruppe II der kaufmännischen Angestellten der Verbrauchsgüterindustrie (Schuhindustrie).

Nach Anhörung des Klägers kürzte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 8.3.1993 das Vergleichseinkommen des Klägers gemäß § 30 Abs 7 BVG iVm § 8 Berufsschadensausgleichs-Verordnung (BSchAV). Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne die Schädigungsfolgen über das 63. Lebensjahr hinaus weiter gearbeitet hätte. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.1993 zurück. Hiergegen erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Speyer Klage.

Mit Bescheid vom 5.8.1996 gewährte die Beklagte dem Kläger Versorgungsbezüge in Höhe von 4.351,-- DM (Grundrente: 879,-- DM; Ausgleichsrente: 826,-- DM; Berufsschadensausgleich: 2.646,-- DM).

Auf Nachfrage des Beklagten teilte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im Oktober 1996 mit, der Kläger habe ab dem 1.2.1995 Anspruch auf Altersrente in Höhe von zunächst 624,89 DM, anschließend von 633,99 DM. Eine Rente werde indessen nicht gezahlt, da der Kläger -- trotz Hinweis -- keinen Rentenantrag gestellt habe.

Nach Anhörung des Klägers änderte der Beklagte mit Bescheid vom 28.11.1996 den letzten Bewilligungsbescheid vom 5.8.1996 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch -- Verwaltungsverfahren -- (SGB X) ab und berücksichtigte ab dem 1.1.1997 eine fiktive Altersrente von 633,99 DM bei der Berechnung der Ausgleichsrente und bei der Feststellung des Berufsschadensausgleichs als anrechenbares Einkommen.

Den Widerspruch wies das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung mit Bescheid vom 13.3.1997 zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, hinsichtlich der Be- bzw Anrechnung von eigenem Einkommen sei § 1 Abs 1 Ausgleichsrentenverordnung bzw § 9 Berufsschadensausgleichsverordnung anzuwenden. Nach diesen Vorschriften sei fiktives Einkommen dann zu berücksichtigen, wenn der Versorgungsberechtigte ohne verständigen Grund über Vermögenswerte oder Einkünfte in einer Weise verfügt habe, dass dadurch sein bei der Feststellung der Ausgleichsrente bzw des Berufsschadensausgleichs zu berücksichtigendes Einkommen gemindert werde. Dies gelte auch für Ansprüche auf Leistungen, die der Versorgungsberechtigte nicht geltend mache. Die Subsidiarität der vom Einkommen abhängigen Versorgungsleistungen fordere nicht nur den vorrangigen Einsatz der Einkünfte zur Bestreitung des Lebensunterhalts, sondern auch die Verpflichtung, Einkunftsquellen zu erschließen und solche Quellen zu erhalten.

Während des hiergegen durchgeführten Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Speyer hatte der Kläger mit seiner gegen den Bescheid vom 8.3.1993 erhobenen Klage Erfolg. Mit Urteil vom 13.8.1997 stellte das Bundessozialgericht -- BSG -- (Az: 9 RV 26/95) fest, die Kürzung des Vergleichseinkommens bereits bei Vollendung des 63. Lebensjahres im Zusammenhang mit der Berechnung des Berufsschadensausgleichs sei...

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