Leitsatz (amtlich)
Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland – wenn auch mit einigen Abweichungen – sind bei Zustellungen durch Einschreiben mit Rückschein in der Republik Österreich ebenfalls Ersatzzustellungen mit sofortiger Ingangsetzung einer Rechtsmittelfrist vorgesehen, z.B. während einer Urlaubsabwesenheit des Adressaten durch Übergabe an einen erwachsenen, noch im gleichen Haushalt wohnenden Sohn.
Normenkette
SGG § 63 Abs. 2, §§ 66-67, 84, 87; VwZG § 14; Postordnung BRep Deutschland § 51 Abs. 3; Postordnung Rep Österreich §§ 174, 176
Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 30.01.1980; Aktenzeichen S 7 U 51/79) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30. Januar 1980 wird zurückgewiesen.
2. Aus keinem Gerichtsverfahren, eingeschlossen das Revisionsverfahren 2 RU 20/81 vor dem Bundessozialgericht, haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin nach Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren ist, damit sie ihren Antrag auf Wiederbewilligung einer Verletztenrente weiterverfolgen kann.
Die aus Deutschland stammende, 1916 geborene, durch Heirat Österreicherin gewordene Klägerin (geb. H., verwitwete K.) beantragte am 19. Juni 1978 bei der Bezirksverwaltung der Beklagten in Nürnberg, ihr wieder eine Rente nach einer MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) um 25 % wegen des Verlustes von nahezu zwei Gliedern des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand zu bewilligen. Zur Begründung gab sie an: Die Verletzungen habe sie am 22. November 1938 bei ihrer Arbeit in der Firma K., Plastik- und Blech-Packungen, N., F. Str. …, erlitten. Aus einem Grunde, den sie heute nicht mehr genau wisse, habe die Rentenzahlung nach einigen Jahren aufgehört, aber ihrer Ansicht nach ohne berechtigten Grund. Sämtliche Unterlagen über die Rentengewährung seien ihr abhanden gekommen. Daher bitte sie, der Sache von Amts wegen nachzugehen.
Die Hauptverwaltung der Beklagten in Mainz, deren Unterlagen durch Kriegseinwirkung ebenfalls weitgehend vernichtet sind, konnte nach umfangreichen Ermittlungen nur noch feststellen, daß tatsächlich im Jahre 1938 ein Arbeitsunfall der Klägerin gemeldet worden war. Darüber hinausgehende Einzelheiten, namentlich die Art der Verletzungen und eventuelle Leistungen, konnte sie ihrer Bezirksverwaltung in Nürnberg nicht mitteilen. Durch Bescheid vom 24. November 1978 lehnte die Bezirksverwaltung Nürnberg den Antrag auf Wiedergewährung einer Rente ab: Die ursprünglich gewährte Rente könne keinesfalls, wie die Antragstellerin heute vermute, wegen Wiederverheiratung weggefallen sein; dafür hätte jegliche Rechtsgrundlage gefehlt. Die seinerzeitige Rentenentziehung könne nur deshalb erfolgt sein, weil der Fingersubstanzverlust nach einer gewissen Zeit keine rentenberechtigende MdE mehr bedingt habe.
Während sich die Klägerin und ihr Ehemann zu einen Urlaub in Spanien aufhielten, wurde der Bescheid dem zu Hause gebliebenen, damals 24 Jahre alten Sohn K. G. in der gemeinsamen Wohnung R. str. … in Wien gegen dessen Unterschrift auf dem internationalen Einschreibe-Rückschein am 5. Dezember 1978 ausgehändigt. Ihre am 30. März 1979 bei der Bezirks Verwaltung der Beklagten in Nürnberg eingegangene und binnen zwei Tagen weitergeleitete Klage hat das Sozialgericht Mainz durch Urteil vom 30. Januar 1980 abgewiesen: Die Klage sei unzulässig, weil die dreimonatige Klagefrist versäumt sei. Maßgebend seien die deutschen Zustellungsvorschriften. Ihnen zufolge habe die Klagefrist bei der Entgegennahme des Bescheides durch den Sohn am 5. Dezember 1978 und nicht erst bei der Rückkehr der Klägerin aus dem Urlaub am 15. Januar 1979 zu laufen begonnen. Im übrigen kenne auch das österreichische Recht die Zustellung durch Übergabe an eine andere, in der gemeinsamen Wohnung angetroffene Person. Der Fristbeginn sei nicht durch eine Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung verhindert worden mit der Folge, daß die Klagefrist auf ein Jahr verlängert worden wäre (§ 66 Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Es treffe zu, daß entgegen den Fristausdehnungen von einem auf drei Monate bei Klage, Berufung und Revision die einmonatige Rechtsmittelfrist für den Widerspruch auch im Falle einer Auslandszustellung des anzufechtenden Bescheides bestehen bleibe (§ 84 SGG). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nach ihrer Rückkehr aus Spanien immer noch fast zwei Monate Zeit zum Einreichen der Klage gehabt habe. Aber auch eine rechtzeitige Klage würde abzuweisen sein. Sie wäre unbegründet, weil ein bindend gewordener Bescheid über die Entziehung der behaupteten Verletztenrente zu unterstellen wäre. Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen mache die Klägerin nicht geltend. Auch zu einer Neufeststellung wäre die Beklagte im vorliegenden Falle nicht verpflichtet.
Gegen das ihr am 27. März über das Bezirksgericht Wien-Floridsdorf zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 28. Mai 1...