Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsschadensausgleich für Selbständige

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs 3 BVG kann auch bestehen, wenn der Beschädigte zwar in dem bisherigen oder angestrebten Beruf verblieben ist, aber wegen der Schädigung nicht das an Einkommen erzielt, das er als Gesunder erzielen würde, wenn er also wegen der Schädigungsfolgen seinen Beruf nicht vollwertig ausüben kann.

2. Der Anspruch eines ehemals Selbständigen, der erstmals während des Rentenbezugs einen Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich stellt, ist nach den Voraussetzungen des § 30 Abs 3, Abs 4 S 1 BVG zu beurteilen. Die Regelung des § 30 Abs 4 S 3 und 4 BVG über den Renten-Berufsschadensausgleich sind insoweit nicht anzuwenden.

3. Mit der Begründung, er habe als Selbständiger seinen Betrieb nicht so ausbauen können, wie dies ohne die Schädigungsfolgen möglich gewesen wäre, kann einem Selbständigen kein Anspruch auf Berufsschadensausgleich gewährt werden. Maßgebend ist vielmehr, wie er seine berufliche Arbeitskraft als Unselbständiger auf dem Arbeitsmarkt verwerten könnte - einerseits als Gesunder, andererseits als Beschädigter.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1923 geborene Kläger erlitt als Soldat im Juli 1944 einen Unfall während des Wehrdienstes, bei dem er mit dem rechten Knie umknickte. Wegen der Folgen dieses Unfalles erkannte der Beklagte bei dem Kläger mit Bescheid vom 20.08.1951 Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH an. Mit Abhilfebescheid vom 15.07.1976 wurde die MdE nach § 30 Abs. 2 BVG wegen Vorliegens eines besonderen beruflichen Betroffenseins auf 40 vH erhöht. Mit Bescheid vom 20.06.1986 wurde schließlich eine MdE von 50 vH anerkannt. Die Schädigungsfolgen wurden wie folgt neu bezeichnet:

Freier Körper im rechten Kniegelenk und formverbildende Veränderung, schalltraumatische Innenohrstörung beiderseits geringen Grades, traumatische Schiefnase mit Behinderung der Nasenatmung und Kieferhöhleneiterung links.

Nach dem Schwerbehindertengesetz wurden zuletzt mit Bescheid des Versorgungsamtes T vom 21.07.1980 als Behinderungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 festgestellt:

1.      Verkürzung des rechten Unterschenkels mit geringer Behinderung der

Funktion des rechten oberen Sprunggelenkes,

2.      Verlust des linken Auges nach Augapfelluxation mit Abriß des Sehnervs

und neurovegetative Beschwerden nach Gehirnerschütterung,

3.      freier Körper im rechten Kniegelenk und formverbildende

Veränderungen,

4.      Bandscheibenschaden mit Ischialgie sowie Arthrose der Hüftgelenke und

des rechten Kniegelenkes,

5.      hirnorganische Durchblutungsstörungen, vermehrte vegetative

Labilität.

Zugleich wurden die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G (erhebliche Gehbehinderung) festgestellt. In der Folgezeit wurde der GdB auf 100 erhöht.

Mit Dauerrentenbescheid der Rheinischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vom 17.04.1967 wurde dem Kläger aus Anlaß eines landwirtschaftlichen Arbeitsunfalls vom Juni 1965 Rente nach einer MdE von 35 vH für die Unfallfolgen "Verlust des linken Auges und abklingende neurovegetative Störungen" gewährt. Mit Bescheid vom 21.02.1974 gewährte die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft dem Kläger wegen eines Arbeitsunfalles vom 22.12.1948 Rente nach einer MdE von 10 vH wegen einer "Verkürzung des rechten Unterschenkels mit geringer Behinderung der Funktion des rechten oberen Sprunggelenkes".

Der berufliche Werdegang des Klägers gestaltete sich wie folgt:

Der Kläger besuchte von 1930 bis 1938 in N die Volksschule. Anschließend arbeitete er bis April 1942 im elterlichen Weinbaubetrieb. Von April 1942 bis Juni 1945 befand der Kläger sich in Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft. Danach übte er bis zum Anfang 1984 die Winzertätigkeit im eigenen Weinbaubetrieb aus. Der Betrieb umfaßte ab 1948 Weinberge mit ca. 1.900 Stock und einer Fläche von ca. 0,25 ha. Im Januar 1984 beantragte der Kläger bei der Alterskasse der Rheinischen Landwirtschaft die Gewährung von Altersgeld. Er verpachtete sein Unternehmen zum 01.01.1984 an seinen 1954 geborenen Sohn Franz Josef Sch. Zum Zeitpunkt der Betriebsübergabe hatte der Betrieb eine Größe von ca. 1,3 ha Rebland, wovon 0,69 ha im Eigentum des Klägers bzw. seines Sohnes standen. Dem Antrag auf Gewährung von Altersgeld fügte der Kläger verschiedene Atteste bei. Der Orthopäde Dr. H teilte die auf seinem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen des Klägers mit und empfahl eine vorzeitige Berentung wegen der schweren Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und der Hüften. Mit Bescheid vom 12.06.1984 bewilligte die Alterskasse der Rheinischen Landwirtschaft dem Kläger zum 01.01.1984 vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit. Ab Januar 1989 bezieht er ungekürztes Altersgeld (Bescheid der Alterskasse vom 25.11.1988).

Im Oktober 1989 beantragte der Kläger ...

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