Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 03.07.1984; Aktenzeichen S 10 U 160/83)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3.7.1984 und der Bescheid der Beklagten vom 5.8.1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.5.1983 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Verkehrsunfall des Klägers vom 24.3.1975 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers einschließlich der des Revisionsverfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei seinem Unfall am 24.3.1975 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der 1957 geborene Kläger war seit August 1972 Auszubildender im Fliesenlegerhandwerk bei der Firma Fliesen-F. GmbH & Co KG in A.. Am Montag, dem 24.3.1975, fuhr er zwischen 15.00 und 16.00 Uhr nach Rückkehr von der Baustelle mit seinen Moped von der Wohnung seiner Eltern in W. nach N. Dort erlitt er auf der H.straße einen Verkehrsunfall, durch den er sich einen Schädelbruch und Beinbrüche zuzog.

Im Dezember 1981 machte der Kläger der Beklagten gegenüber geltend, er sei im Unfallzeitpunkt noch nicht auf des Weg zu seiner Freundin gewesen, sei vielmehr vorher in die H.straße eingebogen und habe in die hinter der Unfallstelle nach links abbiegende Sch.straße zur Firma B. fahren wollen, um sich Ersatz für eine an demselben Tag abgebrochene Spachtel, eine neue Meßeinrichtung („Auge”) für seine Wasserwaage, ein Maßlineal sowie ein Schneidrad für eine vom seinem Onkel angefertigte Fliesenschneidemaschine zu kaufen, die er im Ausbildungsbetrieb benötigt habe.

Die Beklagte lehnte eine Entschädigung ab, weil der Kauf der Werkzeugteils im Vergleich zu der privaten Betätigung, dem Abholen der Freundin, nur ein unwesentlicher Nebenzweck der Fahrt gewesen sei (Bescheid vom 5.8.1982). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück, weil nicht mit Gewißheit bewiesen sei, daß sich der Unfall bei einer versicherten Tätigkeit ereignet habe (Widerspruchsbescheid vom 16.5.1983).

Auf die am 7.6.1983 beim Sozialgericht eingegangene Klage hat dieses den Verwaltungsamtmann W. die Hausfrau C. F., die Fliesenleger H. und S., den unfallbeteiligten VW-Busfahrer M. Sch. sowie den Vater und die Mutter des Klägers als Zeugen vernommen. Durch Urteil vom 3.7.1984 hat es die Klage abgewiesen: Die Beschaffung von Arbeitgerät sei gemäß §§ 549, 550 Reichsversicherungsordnung (RVO) nur dann versichert, wenn es sich um eine Ersatzbeschaffung (Erneuerung), nicht aber um die Erstbeschaffung handele. Als zu erneuerndes Werkzeug seien lediglich eine neue Spachtel als Ersatz für eine abgebrochene und das Auge für die Wasserwaage in Betracht gekommen, in dieser Hinsicht sei durch die Zeugenvernehmungen nichts bewiesen. Die Fliesenlegergesellen H. und S. könnten sich nur erinnern, daß sie zu dem Kläger wiederholt gesagt hatten, wenn er selbständig arbeiten wolle, solle er sich eigenes Werkzeug besorgen, statt ihres zu benutzen. Im übrigen müsse davon ausgegangen werden, daß ein wesentliches Anliegen darin bestanden habe, seine Freundin abzuholen, die um 16.00 Uhr ihre Arbeit regelmäßig beendete, und daß er den Werkzeugkauf nur bei Gelegenheit des Abholens der Freundin habe erledigen wollen. Dafür spreche die Eile, mit der er zu Hause Geld geholt habe.

Gegen das am 23.7.1984 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 21.8.1984 beim Landessozialgericht eingegangenen Berufung: Von einer Erstanschaffung könne nicht die Rede sein. Die Anschaffung eines Widia-Rädchens sei auf jeden Fall eine Geräteerneuerung gewesen.

Durch Urteil vom 11.12.1985 hat der erkennende Senat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die zulässige Berufung sei nicht begründet. Trotz der erschöpfenden Ermittlungen der Beklagten und des Sozialgerichts lasse sich kein gesetzlicher Versicherungsschutz für die Fahrt des Klägers zu der Firma B. feststellen.

Bei keinem der vom Kläger beabsichtigten Einkaufe von Werkzeugen oder Werkzeugteilen ließen sich starke Zweifel unterdrücken, ob es sich lediglich um die gesetzlich versicherten Erneuerungen und nicht bloß um Erstanschaffungen handele, auf die der Gesetzgeber den Versicherungsschutz nicht oder zumindest noch nicht ausgedehnt habe. Selbst der beabsichtigte Einkauf des Widia-Rädchens habe noch zur ersten Gebrauchsfertigmachung gedient, nicht schon zum Ersatz.

Durch Urteil vom 27.11.1986 hat das Bundessozialgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen: Es komme für die Bejahung des Versicherungsschutzes darauf an, ob das Zurücklegen des Weges in Unfallzeitpunkt als gemischte Tätigkeit wesentlich auch dem Ausbildungsverhältnis gedient habe, in welchen der Kläger gegen Arbeitsunfall versichert gewesen sei. Hier komme Versicherungsschutz nach § 548 RVO in Betracht, wenn die Zurücklegung des Weges im Unfallzeitpunkt der Beschaffung und Fertigstellung von Werkzeug gedie...

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