Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitsdienst der männlichen Versicherten der Geburtsjahrgänge bis einschließlich 1914 wurde nicht aufgrund gesetzlicher Dienstpflicht geleistet und ist deshalb keine Ersatzzeit (Anschluß an BSG vom 1976-07-21 5 RJ 42/76 = Breith 1977, 703).

2. Mußte der Arbeitsdienst als Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums geleistet werden, ist er ebenfalls keine Ersatzzeit und auch keine Ausfallzeit.

Ein Verfassungsverstoß liegt nicht vor.

 

Verfahrensgang

SG Trier (Urteil vom 16.02.1976; Aktenzeichen S 4 A 24/75)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.01.1978; Aktenzeichen 1 RA 15/77)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten, wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 16. Februar 1976 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind in keinem der beiden Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten, seinen Arbeitsdienst von April bis September 1935 als Ersatzzeit anzuerkennen.

Der am … 1914 geborene Kläger ist selbständiger Arzt. Den Arbeitsdienst hatte er im Anschluß an sein im März 1935 abgelegtes Abitur geleistet, und zwar nach dem sogenannten Pflichtenheft für Abiturienten vom 1. April bis zum 25. September 1935 und nach dem zusätzlich ausgestellten Arbeitsdienstpaß vom 5. April bis zum 30. September 1935. Durch Bescheid vom 1. Oktober 1974 hat die Beklagte die Anerkennung der Arbeitsdienstzeit als Ersatzzeit abgelehnt, weil der Arbeitsdienst nicht aufgrund einer gesetzlichen Dienstpflicht geleistet sei und er somit als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ausscheide. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch hat der Kläger geltend gemacht: Der Arbeitsdienst sei damals Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums gewesen. Demgemäß sei über die Dienstleistung das Pflichtenheft für Abiturienten ausgestellt worden. Er habe den Arbeitsdienst also nicht freiwillig, sondern aufgrund bestehender Dienstpflicht geleistet.

Durch Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1975 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im wesentlichen mit der gleichen Begründung wie im Ablehnungsbescheid zurückgewiesen und dabei auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Oktober 1969 – 12 RJ 214/69 – verwiesen, nach der zu dem Personenkreis der Arbeitsdienstpflichtigen nur die Angehörigen des Geburtsjahrgangs 1915 und jüngerer Jahrgänge gehört hätten.

Am 14. Februar 1975 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Trier erhoben.

Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und zusätzlich vorgetragen: Daß er seinerzeit nicht nur als angehender Student, sondern überhaupt allgemein arbeitsdienstpflichtig gewesen sei, ergebe sich aus dem Arbeitsdienstpaß. Darin sei ausdrücklich vermerkt, daß er der Arbeitsdienstpflicht gemäß § 8 Abs. 3 Wehrgesetz genügt habe. Außerdem sei die Arbeitsdienstzeit in dem Arbeitsdienstpaß als eine Pflichtzeit bezeichnet. Die Beklagte müsse also seinen Arbeitsdienst als Ersatzzeit anerkennen. Ihm sei ein Fall bekannt, in dem die Beklagte nach anfänglicher Weigerung doch noch die Soldatenzeit eines 1911 geborenen Versicherten als Ersatzzeit anerkannt habe, obwohl dieser Versicherte im Jahre 1935, als er Soldat geworden sei, nicht nach dem Gesetz dienstpflichtig gewesen sei. Im Interesse einer Gleichbehandlung müsse deshalb seine Arbeitsdienstzeit genauso beurteilt worden. Mit dem Inkrafttreten des Reichsarbeitsdienstgesetzes am 27. Juni 1935 sei er jedoch auf jeden Fall arbeitsdienstpflichtig geworden.

Durch Urteil vom 16. Februar 1976 hat das Sozialgericht Trier entsprechend dem Klageantrag des Klägers die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 27. Juni bis zum 15. September 1935 als Ersatzzeit anzuerkennen. In den Entscheidungsgründen hat es dazu im wesentlichen ausgeführt: Seit dem Inkrafttreten des Reichsarbeitsdienstgesetzes am 27. Juni 1935 habe der Kläger seinen Arbeitsdienst aufgrund gesetzlicher Dienstpflicht geleistet. Es könne nicht der Auffassung gefolgt werden, daß auch der Arbeitsdienst nach diesen Zeitpunkt nur denjenigen als Ersatzzeit angerechnet werden könne, die mit den dienstpflichtigen Jahrgängen konkret nur Dienstleistung aufgerufen worden seien. Das BSG habe in dar zitierten Entscheidung vom 29. Oktober 1969 auch nur über eine Zeit vor dem 27. Juni 1935 entschieden. Für die Anrechnung des nach Inkrafttreten des Reichsarbeitsdienstgesetzes geleisteten Arbeitsdienstes als Ersatzzeit reiche es vielmehr aus, daß der Versicherte damals aufgrund des Reichsarbeitsdienstgesetzes allgemein dienstpflichtig gewesen sei. Bei dem aufgrund freiwilliger Meldung vorzeitig nach Inkrafttreten des Wehrgesetzes abgeleisteten Wehrdienst habe der 12. Senat des BSG in seinem Urteil vom 28. April 1971 des Bestehen der allgemeinen Wehrpflicht für die Anrechnung des Wehrdienstes als Ersatzzeit genügen lassen, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherte später überhaupt zur Ableistung des Pflichtwehrdienstes herangezogen worden wäre oder nic...

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