Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Sozialdatenschutz. Gutachterauswahl- und Widerspruchsrecht gem § 200 Abs 2 SGB 7. höchstpersönliches Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Die verfahrensrechtlichen Regelungen in § 200 Abs 2 SGB 7 stellen auf personenbezogene Daten des Versicherten ab und sind deshalb als höchstpersönliche Rechte aufzufassen.
2. Eine Verletzung dieser Bestimmung ist daher weder auf Verfahren von Hinterbliebenen gegen Unfallversicherungsträger (zB bei Gutachten zur Todesursache) noch auf Verfahren von Sonderrechtsnachfolgern gegen Unfallversicherungsträger wegen übergegangener Ansprüche anwendbar.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10.4.2008 wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10.4.2008 wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes eine höhere Verletztenrente und eine Hinterbliebenenrente zustehen.
Die Klägerin ist die Witwe des im Jahr 1924 geborenen und am … 2004 verstorbenen H L (HL).
Dieser war während seines Berufslebens überwiegend (1946 bis 1984) als Säurebaumonteur tätig und dabei gegenüber Asbeststaub exponiert. Aufgrund einer im Januar 2004 erstatteten Berufskrankheitenanzeige wurde von der Beklagten ein Feststellungsverfahren betreffend eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) eingeleitet. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten ermittelte eine Asbestbelastung von 34,4 Faserjahren.
Zwecks Aufklärung der medizinischen Vorgeschichte wurden zahlreiche Krankenhausberichte beigezogen, aus denen sich ergibt, dass sich der Versicherte im Zeitraum vom Juni 2001 bis Januar 2004 mehrfach wegen einer unklaren Pleuraerkrankung in stationärer Behandlung befand. Zuletzt wurde der Versicherte am 4.4.2004 notfallmäßig in der H in B aufgenommen, wo er am Folgetag verstarb. Als Todesursache wurde festgestellt: "Respiratorische Insuffizienz mit Auswirkungen auf Herz und andere Körperorgane". Auf Anregung der Klinikärzte wurde im B in K eine Obduktion durchgeführt.
Der Leiter der dortigen Pathologischen Abteilung Dr. G erstellte unter Auswertung der Obduktionsergebnisse im Dezember 2004 ein Gutachten. Er gelangte zum Ergebnis, bei dem Versicherten habe eine weit fortgeschrittene Asbestose von Pleura und Lungen bestanden. In den durch die Asbestose vorgeschädigten Atemwegen sei es kurz vor dem Tod des Versicherten noch zu einer infektbedingten Verschlimmerung der vorbestehenden Entzündung gekommen. Der Tod des Versicherten sei aufgrund der fortgeschrittenen Störung der Atemtätigkeit in Verbindung mit der terminalen infektbedingten Herz-Kreislauf-Schädigung eingetreten. Weitere todeswürdige Erkrankungen hätten nicht vorgelegen. Der Versicherte sei an den Folgen der BK verstorben.
Demgegenüber vertrat der Beratungsarzt der Beklagten H in seinen Stellungnahmen vom Februar und März 2005 die Auffassung, dass zwar eine BK nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV vorgelegen habe, jedoch ohne nachweisbare asbestosetypische Lungenfunktionsstörungen. Der Tod des Versicherten sei auf eine bk-unabhängige chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD) zurückzuführen, die das zusätzliche Auftreten der Infektion begünstigt habe.
Mit Bescheid vom 4.4.2005 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV an und stellte folgende Erkrankungen als BK-Folge fest: "Lungen- bzw. Pleura (Brustfell)-Asbestose ohne Einschränkung der Lungenfunktion (Restriktion)". Sie lehnte die Gewährung einer Rente mangels rentenberechtigender Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag lehnte die Beklagte außerdem die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Tod sei nicht als Folge der BK eingetreten. Todesursache sei eine schicksalhafte hochgradige chronisch-obstruktive Bronchitis (COPD) sowie ein Lungenemphysem (Lungenüberblähung) gewesen.
In einem im Widerspruchsverfahren eingeholten arbeitsmedizinisch-lungenfachärztlichen Gutachten von Dr. K vom Mai 2005 stellte dieser fest, dass die bk-bedingte MdE mit unter 10 vH zu bewerten sei. Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, das fortgeschrittene Lungenemphysem und die koronare Herzerkrankung seien keine Folge der BK gewesen. Die BK habe jedoch den Tod mitverursacht bzw. um mindestens ein Jahr vorverlegt. Denn beim faktischen Nachweis einer Lungenfibrose, die zumindest gleichwertig auf eine Asbestose zurückzuführen sei und dem faktischen Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz müsse der beruflichen Mitursache mindestens der Stellenwert einer gleichwertigen Mitursache zukommen.
Die Beratungsärztin Frau Dr. P schätzte die MdE in ihrer Stellungnahme vom August 2005 ebenfalls mit...