Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Zeiten einer Strafhaft als rentenrechtliche Zeit. europäisches Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Die während der Zeit des Strafvollzugs ausgeführte Beschäftigung stellt kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dar und begründet somit keine rentenversicherungsrechtliche Beitragszeit (§ 55 Abs 1 SGB 6). In der Nichtinkraftsetzung des § 190 des Strafvollzugsgesetzes vom 16.3.1976 zur Rentenversicherungspflicht für die Arbeitsleistung von Strafgefangenen liegt auch kein Verstoß gegen Europäisches Recht.

 

Orientierungssatz

In der Nichtinkraftsetzung der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung für Strafgefangene liegt auch kein Verstoß des Gesetzgebers gegen Grundrechte oder das Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG), wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat (vgl BVerfG vom 1.7.1998 - 2 BvR 441/90 ua = BVerfGE 98, 169).

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 23.01.2008 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Zeiten der Beschäftigung des Klägers während seiner Strafhaft als Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Der 1945 geborene Kläger, der sich seit 1984 in Strafhaft bzw. Maßregelvollzug befindet, beantragte im Februar 2006 die Zeiten der Beschäftigung während seiner Strafhaft bzw. des Maßregelvollzugs als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.03.2006 ab, da es an einer gesetzlichen Regelung für die Berücksichtigung von Beitragszeiten während der Strafhaft fehle. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2006 zurück.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz mit Gerichtsbescheid vom 23.01.2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten während der Haft als Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu. Die Beschäftigung von Strafgefangenen im Rahmen eines Straf- bzw. Maßregelvollzugs stelle kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV dar, da ein Strafgefangener bei seiner Beschäftigung im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer nicht frei sei. Vielmehr sei der Strafgefangene gemäß § 41 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz zur Arbeitsleistung verpflichtet. Für das Begehren des Klägers fehle es an einer Rechtsgrundlage. § 191 Strafvollzugsgesetz, der die Versicherungspflicht einführe, sei nicht in Kraft gesetzt worden. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege nicht vor. Ebenso liege kein Verstoß gegen EU-Recht vor.

Am 13.02.2008 hat der Kläger gegen den ihm am 30.01.2008 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

die Nichteinbeziehung von Inhaftierten während der Zeit der Inhaftierung in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung wegen eines fehlenden Bundesgesetzes sei verfassungswidrig. Aufgrund der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) habe er eine Arbeitnehmerschaft dadurch erlangt, dass aus dem von ihm während der Inhaftierung erwirtschafteten Arbeitsentgelt Pflichtbeiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 23.01.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für ihn für die Zeiten der Beschäftigung während der Strafhaft bzw. des Maßregelvollzugs Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung vorzumerken,

hilfsweise,

die Rechtssache gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung darüber vorzulegen, ob durch die Nichtinkraftsetzung der Neuregelung des Angestelltenversicherungsgesetzes (§ 191 Strafvollzugsgesetz) seine Grundrechte verletzt seien,

weiter hilfsweise,

die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof zwecks Einholung einer Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

die vom Kläger begehrte Anerkennung der Inhaftierungszeit als Beitragszeit sei nicht möglich, da eine gesetzliche Grundlage dafür in Deutschland nicht bestehe.

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: …) sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, da ihm kein Anspruch auf Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten für eine Beschäftigung während der Strafhaft/des Maßregelvollzugs zusteht.

Während der Beschäftigung des Klägers im Rahmen der Strafhaft bestand kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, was aber Voraussetzung für die...

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