Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Ausfallzeiten bei zwei Studiengängen. Studium. Studienzeit. Studiengang. Mehrfachstudium. Universität. Immatrikulation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anerkennung einer abgeschlossenen Hochschulausbildung als Ausfallzeit setzt nicht notwendig voraus, daß der Versicherte an einer Hochschule als Studierender förmlich eingeschrieben (immatrikuliert) war. Es genügt, daß der Versicherte in der üblichen Weise durch die Teilnahme an Vorlesungen und Übungen an der Hochschule eine bestimmte geregelte Fachausbildung erhalten und diese durch die vorgesehene Staatsprüfung oder Hochschulprüfung (Promotion) abgeschlossen hat. Dabei handelt es sich auch dann um eine einheitliche abgeschlossene Hochschulausbildung, wenn die Ausbildungszeit selbst im Ausland zurückgelegt und die Hochschulprüfung in demselben Fachbereich im Inland abgelegt wurde.

2. Mehrere abgeschlossene Hochschulausbildungen kommen nur mit der gesetzlichen Höchstdauer von insgesamt 5 Jahren als Ausfallzeit in Betracht. Dieser Zeitraum zählt stets vom Beginn der ersten Ausbildung an.

 

Normenkette

AVG § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b; RVO § 1259 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 27.07.1983; Aktenzeichen S 2 A 154/81)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.01.1985; Aktenzeichen 8 RK 44/83)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichte Koblenz vom 27. Juli 1983 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. Mai 1980 und 23. September 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 1981 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, im Versicherungsverlauf des Klägers die Zeit von Februar 1951 bis Juni 1952 als weitere Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG vorzumerken.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat den Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulassung einer Beitragsnachentrichtung und/oder um die Vormerkung einer weiteren Ausfallzeit im Versicherungsverlauf des Klägers.

Der 1919 geborene Kläger ist seit August 1972 im Angestelltenverhältnis als Professor im Fachbereich Maschinenbau der Abteilung K. der Fachhochschule R. beschäftigt. Sein Studium der Architektur an der TH D. ab 1. Oktober 1946 schloß er am 13. April 1950 mit der Diplomprüfung ab. Die Beklagte hat im Versicherungsverlauf eine Zeit vom 14. April bis zum 31. Dezember 1946 als Ersatzzeit (Vertreibung, Flucht) und die anschließende Zeit des Studiums bis zum 13. April 1950 mit 40 Monaten als Ausfallzeit vorgemerkt.

Nach einer Hilfsassistententätigkeit an der TH D., für die Beiträge nachentrichtet sind, war der Kläger in Chile zunächst vom 15. Februar 1951 bis zum 31. Dezember 1952 an der Universität in V. als Lehrkraft im Bereich Zentralheizungstechnik und Sanitäre Ingenieurtechnik und anschließend vom 1. Januar 1953 bis zum 31. März 1955 als Lehrkraft für Thermodynamik und Industrielle Physik an der Universität in S. de Chile beschäftigt. Der chilenische Versicherungsträger bestätigte, daß an ihn für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. März 1955 Versicherungsbeiträge entrichtet wurden. Nach den Angaben des Klägers handelte es sieh bei der Lehrtätigkeit um eine geringfügige Teilzeitbeschäftigung, mit der er sich seinen notwendigen Lebensunterhalt verdient habe, im übrigen habe er hauptsächlich wie jeder andere Student Vorlesungen und Übungen im Fachbereich Maschinenbau besucht und sieh auf diese Weise zusätzlich ausgebildet.

Vom 1. April 1955 bis zum 8. September 1956 war der Kläger Doktorand an der Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik der TH M., wo er am 22. Mai 1957 mit der Disertation „Wärmeübergang und Druckverlust bei Rohrbündel-Värmeübertragern” promovierte. Für diese Zeit hat der Kläger ab 1. Januar 1956 Versicherungsbeiträge nachentrichtet (Artikel 2 § 49 a AnVNG).

Den Antrag des Klägers, für die Zeiten in Chile und in M. eine Beitragsnachentrichtung nach Artikel 2 § 44 a Abs. 3 AnVNG (wissenschaftliche Ausbildung für den künftigen Beruf vor dem 1. März 1957) zuzulassen oder diese Zeiten als weitere Ausbildungs-Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AVG (abgeschlossene Hochschulausbildung) vorzumerken, lehnte die Beklagte durch Bescheide vom 21. Mai 1980 und 23. September 1980 und Widerspruchsbescheid vom 20. August 1981 ab. Eine Nachentrichtung für Zeiten der Ausbildung im Ausland scheide überhaupt aus und in M. habe er als Doktorand in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Als Ausfallzeiten kämen diese Zeiten schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger – wie er selbst angegeben habe – nicht als Student immatrikuliert gewesen sei.

Die Klage hat das Sozialgericht Koblenz durch Urteil vom 27. Juli 1983 abgewiesen. Es hat sich der Ansicht der Beklagten angeschlossen.

Gegen das am 13. August 1983 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. August 1983 die Berufung eingelegt.

Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, er sei zu ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge