Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 04.06.1985; Aktenzeichen S 10 Ar 31/85) |
Tenor
1. Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 4. Juni 1985 und Abänderung der angefochtenen Bescheide wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten des Vorverfahrens nach ihrer Kostenberechnung vom 12. Oktober 1984 zu erstatten.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Beim Streit über die Höhe der Vorverfahrenskosten geht es darum, ob die Gebühr für den Rechtsanwalt niedriger als im Gerichtsverfahren anzusetzen ist.
Nachdem im Widerspruchsverfahren die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids dem Antrag der Klägerin (als Arbeitgeber) auf AEZ stattgegeben hatte (Abhilfebescheid des Arbeitsamts Landau vom 28. September 1984), berechneten deren Bevollmächtigte ihre Gebühr mit 720 DM und machten, zusätzlich Auslagenpauschale (40 DM) sowie Mehrwertsteuer (106,40 DM), einen Kostenanspruch von 866,40 DM geltend (Kostenberechnung vom 12. Oktober 1984). Die Beklagte setzte den Kostenerstattungsanspruch auf 592,80 DM unter Zugrundelegung einer Gebühr von 480 DM fest (Bescheide des Arbeitsamts Landau und deren Widerspruchsstelle vom 12. November 1984 und 14. Januar 1985): Nach dem Urteil des BSG vom 7. Dezember 1983 9 a RVs 5/82 (= BSG SozR 1300 § 63 SGB 10 Nr. 2) seien die Gebühren für das Vorverfahren in Angelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit geringer anzusetzen als die im Gerichtsverfahren. Für das Verfahren seien danach etwa 2/3 der im gerichtlichen Verfahren anfallenden Gebühr als angemessen anzusehen. Somit errechne sich eine volle Gebühr in Höhe von 640 DM (bei einem Gegenstandswert von 25.816,20 DM). Die von der Klägerin selbst angesetzten 7,5/10 der vollen Gebühr ergäben somit einen Erstattungsbetrag von 480 DM. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde damit nicht der Gegenstandswert herabgesetzt, sondern lediglich die für diesen Gegenstandswert maßgebliche „volle Gebühr” der als Anlage dem § 11 BRAGO beigefügten Tabelle in Anlehnung an das BSG-Urteil auf 2/3 dieser „vollen Gebühr” festgesetzt. Auch der Vortrag der Klägerin, der Abstufung sei dadurch Rechnung getragen, daß nur 7,5/10 und nicht die volle Gebühr in Ansatz gebracht worden ist, könne zu keiner anderen Entscheidung führen, da auch aus dem BSG-Urteil ersichtlich sei, daß die Abstufung bei dem Gebührenbetrag und nicht bei der Zehntelung vorzunehmen sei.
Das Sozialgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen und die Ansicht vertreten, daß die angefochtenen Bescheide im Ergebnis zu Recht ergangen seien (Urteil vom 4. Juni 1985).
Mit der – vom Sozialgericht zugelassenen – Berufung trägt die Klägerin ua vor: Die auch vom Sozialgericht vorgenommene zweifache Kürzung der Gebühr führe zu unbilligen Ergebnissen. Da Fälle, bei denen für das Widerspruchsverfahren von einer 7,5/10 Gebühr auszugehen ist, der Regelfall sein dürften, führe die angegriffene Rechtsprechung praktisch nur zu einer halben Gebühr im Widerspruchsverfahren. Dies widerspreche jedoch der Rechtsprechung des BSG zu der dort entschiedenen Fallgruppe, wonach die Gebührenkürzung für das Vorverfahren etwa nur 1/3 betragen solle. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß eine zu restriktive Handhabung des Gebührenrechts zu einer Beeinträchtigung des Rechtsschutzes für den rechtsuchenden Bürger führen könnte.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 4. Juni 1985 und der angefochtenen Bescheide die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten des Vorverfahrens nach der Kostenberechnung vom 12. Oktober 1984 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Revision zuzulassen.
Sie hält die Berufung für unbegründet und die Revisionszulassung wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits für geboten, zumal die bisher vom BSG entschiedenen Streitsachen zur Höhe der Vorverfahrenskosten inhaltlich Streitfälle betrafen, die unter die Regelung der Rahmengebühr gefallen seien.
Zur Ergänzung des Tatbestands im einzelnen wird auf die Prozeßakte und die die Klägerin betreffende Förderungsakte des Arbeitsamts Landau Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Nach Ansicht des Senats ist die angefochtene Kostenfestsetzung der Beklagten nicht rechtmäßig.
Für die Festsetzung der nach § 63 Abs. 2 SGB 10 erstattungsfähigen Gebühren des Rechtsanwalts im Vorverfahren ist maßgebend, ob im gerichtlichen Verfahren nach § 116 Abs. 1 BRAGO dem Rechtsanwalt lediglich eine Rahmengebühr zustünde oder ob gemäß § 116 Abs. 2 BRAGO die Gebühr nach dem Gegenstandswert zu berechnen wäre. Letzteres ist der Fall bei Verfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen (Kassenarztrecht) sowie öffentlich-rechtlicher Versicherungsträger untereinander und außerdem bei Verfahren aufgrund öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und der Bundesanstalt für Arbeit oder einer Berufsgeno...