Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 05.09.1991; Aktenzeichen S 6 U 263/90) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5.9.1991 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das beim Kläger 1978 festgestellte Kehlkopfkarzinom eine Berufskrankheit (BK) ist bzw wie eine BK zu entschädigen ist und der Kläger deshalb Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat.
Der 1932 geborene Kläger war zunächst ab 1946 ca 4 Jahre als Schmied beschäftigt und ca 2 Jahre als Arbeiter in einer Eisengießerei. Von 1952 bis 1978 war er im Straßenbau (Schwarzdeckenbau) tätig. Hierbei war er von 1952 bis ca 1960 den Dämpfen von Steinkohlenteerderivaten ausgesetzt. Seit 1959 wurde vorwiegend Bitumen, als Verschnittbitumen oder in Mischung mit Teer, verwendet. Auch hierbei bestand eine nicht unerhebliche Belastung durch Teerinhaltsstoffe.
Im April 1978 wurde beim Kläger ein Kehlkopfkarzinöm festgestellt und der Kehlkopf operativ entfernt, was zu einem völligen Verlust der Sprache führte. Seit Juli 1979 bezieht der Kläger von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Im Oktober 1988 erstattete der den Kläger behandelnde Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Dr. R. aus D., bei der Beklagten eine Anzeige über eine BK, da er das Kehlkopfkarzinom des Klägers auf das Einatmen von Teerdämpfen und Autoabgasen zurückführte, [1 VA]. In dem daraufhin eingeleiteten Feststellungsverfahren empfahl Dr. N., Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, in seinem gewerbeärztlichen Gutächten vom 13.9.1989 die Anerkennung als BK gemäß § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) und schätzte die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 100 vH. Unter Hinweis auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 23.2.1989, aus welchem sich ergebe, daß keine neuen Erkenntnisse über eine höhere Gefährdung von Straßenbauarbeitern im Vergleich zum Rest der Bevölkerung vorlägen, bat die Beklagte Dr. N.m eine ergänzende Stellungnahme. Dieser verwies auf eine bereits in seinem Gutachten angeführte Statistik des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, laut welcher zwischen 1978 und 1986 mehrere Fälle von Kehlkopfkrebs durch Peche, Teere und Teeröle in Bitumen als BK gemäß § 551 Abs. 2 RVO anerkannt worden seien und erachtete deshalb das Vorliegen neuer Erkenntnisse für gegeben (Stellungnahme vom 13.12.1989).
Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlaß der Kehlkopferkrankung durch Bescheid vom 5.3.1990 ab, weil es sich hierbei weder um eine BK im Sinne von § 551 Abs. 1 RVO in Verbindung mit der geltenden BK-Verordnung (BKVO) handele noch die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO erfüllt seien. Es lägen keine hinreichend wissenschaftlich gesicherten ärztlichen Erkenntnisse vor, nach denen Straßenbauarbeiter im Schwarzdeckenbau wesentlich häufiger an Kehlkopfkrebs litten als die übrige Bevölkerung.
Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 28.8.1990) hat der Kläger im Klagewege sein Begehren, weiterverfolgt. Das Sozialgericht (SG) hat ein Gutachten von Prof. Dr. W./Dr. S., Institut für Arbeitsmedizin in M., eingeholt. Diese sind der Auffassung, das beim Kläger festgestellte Kehlkopfkarzinom sei mit Wahrscheinlichkeit auf seine beruflich bedingte Teerexposition zurückzuführen. Dafür spreche, daß die Erkrankung beim Kläger im Alter von 46 Jahren aufgetreten sei, während der Häufigkeitsgipfel dieser Erkrankungen zwischen dem 5. und 7. Lebensjahrzehnt liege. Für die Verursachung eines derartigen Tumors würden ferner verschiedene exogene Faktoren angeschuldigt, insbesondere in Gestalt von Alkohol und Tabak, welche beim Kläger nicht vorgelegen zu haben schienen (Gutachten vom 12.3.1991 –27–50). Auch sei davon auszugehen, daß bei Straßenarbeitern, die mit Teerstoffen umgingen, eine berufstypische Gefährdung gegeben sei. Obwohl keine eindeutigen epidemiologischen Studien vorlägen, die eine sichere Aussage über eine Überhäufigkeit von bösartigen Neubildungen des Atemtrakts bei Straßenbauarbeitern erlaubten, sei diese Berufsgruppe in einem deutlich höheren Ausmaß kanzerogen wirkenden Teerinhaltsstoffen, insbesondere in Gestalt von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH), ausgesetzt als die übrige Bevölkerung.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 5.9.1991 abgewiesen, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Kläger zu einer bestimmten Personengruppe gehöre, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet seien, Kehlkopfkarzinome zu verursachen. Das ergebe sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. W./Dr. S., wonach eindeutige epidemiologische Studien, die eine sichere Aussage über eine Überhäufigkeit von bösartigen Neubildungen des Atemtraktes bei Straßenarbeitern erl...