Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 10.10.1996; Aktenzeichen S 2 U 120/95) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10.10.1996 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Kehlkopferkrankung des Klägers als Berufskrankheit festzustellen und zu entschädigen ist.
Der Kläger ist 1930 geboren. Er absolvierte von 1934 bis 1937 eine Lehre als Sägewerker in der damaligen Tschechoslowakei. Danach war er von 1937 bis 1943 in der damaligen Tschechoslowakei und von 1947 bis 1973 in der Bundesrepublik Deutschland bei der Firma R. als Sägewerksmeister versicherungspflichtig beschäftigt. In der Firma R. verrichtete er von 1947 bis 1950 folgende Tätigkeiten: Bedienen einer Lackauftragsmaschine sowie Blockbandsäge, Auftrag von Beizen, Schleifarbeiten, Verleimarbeiten, Zuschnittarbeiten. Ausschließlich an einer Blockbandsäge arbeitete der Kläger von 1950 bis 1955. Von 1955 bis 1973 führte er Kontrollarbeiten auf dem Späne- und Holzplatz (Freigelände), Kontrollarbeiten im Trocknerbereich und an der Formstraße sowie Kontrollgänge in der Werkzeugschärferei durch. Darüber hinaus war er seit 1955 für die Entsorgung des Rußes aus dem Kessel eingesetzt (Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes – TAD – der Beklagten vom 16.3.1989 und 30.8.1993).
1973 wurde bei dem Kläger eine Laryngektomie wegen eines Stimmbandkarzinoms durchgeführt. Seit dieser Zeit bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Im August 1988 beantragte er die Feststellung des Kehlkopfkrebses als Berufskrankheit. Während seiner beruflichen Tätigkeit sei er den schädigenden Einflüssen von Staub, Spänen, Ruß, Leim, Härter und Spanplatten ausgesetzt gewesen.
Prof. Dr. M., Direktor der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität M., teilte in seinem Gutachten vom 5.12.1989 mit, das Larynxkarzinom des Klägers sei mit Wahrscheinlichkeit auf den gesicherten Zigarettenkonsum des Klägers zurückzuführen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit schädigenden Arbeitsstoffen sei lediglich möglich, aber nicht wahrscheinlich.
Dr. N., Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, stimmte in seinem gewerbeärztlichen Gutachten vom 9.3.1990 der Beurteilung von Prof. Dr. M. zu.
Mit Bescheid vom 28.5.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.2.1991 lehnte daraufhin die Beklagte die Feststellung einer Kehlkopferkrankung des Klägers als Berufskrankheit ab.
Im Januar 1993 beantragte der Kläger nach § 44 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) die Aufhebung der ablehnenden Bescheide der Beklagten. Zur Begründung bezog er sich auf ein ärztliches Attest des Privatdozenten Dr. Ma., Hals-Nasen- und Ohrenklinik der Ruprecht-Karls-Universität H., vom 10.12.1992. Danach ist aufgrund der jahrzehntelangen Exposition gegenüber Ruß und anderen Noxen ein Zusammenhang mit dem Kehlkopfkrebs wahrscheinlich.
Der TAD der Beklagten führte hierzu in einer Stellungnahme vom 22.12.1993 aus, dass polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Benzol teilweise absorbiert (gebunden) an Rußpartikeln vorliegen können.
Prof. Dr. T. Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität H., vertrat in einem Gutachten vom 7.10.1994 die Auffassung, zum Untersuchungszeitpunkt habe die Dibenzodioxin- und Dibenzofuranbelastung des Klägers nicht höhergelegen als bei nicht beruflich exponierten Personen. Die beruflich bedingte Exposition gegenüber diesen Stoffen sowie Nitrosaminen, Ruß, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen sowie Lindan sei mit Wahrscheinlichkeit nicht geeignet, das Krebsleiden des Klägers zu verursachen bzw wesentlich mitzuverursachen. Eine Berufskrankheit könne bei dem Kläger nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 15.12.1994 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 28.5.1990 ab. Zur Begründung nahm sie auf das Gutachten von Prof. Dr. T. Bezug. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.5.1995 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren hat Prof. Dr. B., Institut und Poliklinik für Arbeitsmedizin der Universität des S. H./S., in einem Schreiben vom 20.6.1995 mitgeteilt, entgegen dem vorliegenden Vorgutachten könnten Kehlkopfkarzinome durch verschiedene Schadstoffe z.B. durch Pyrolyseprodukte oder polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe verursacht werden.
Prof. Dr. K., Zentrum für Pathologie der Georg-August-Universität G., hat in seinem Gutachten vom 8.7.1996 dargelegt, in der analysierten internationalen epidemiologischen Literatur seien keine gesicherten Erkenntnisse vorhanden, dass Beschäftigte in der Holzindustrie einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Karzinomen im Kehlkopf unterliegen würden oder die Exposition gegenüber den Schadstoffen, welchen der Kläger ausgesetzt gewesen sei, ein erhöhtes Larynxkarzinomrisiko assoziiere. Eine Berufskrankheit sei danach nicht wahrscheinlich zu machen. Das bei dem Kläger aufgetretene Kehl...