Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsbescheid. Rücknahme wegen anzurechnendem Einkommen. Anpassungsbescheid. Einkommensfragebögen. bestandskräftiger Grundlagenbescheid. Rücknahmefristen des § 45 Abs 3 SGB 10. Rentenanspruch iS von § 44 Abs 5 S 1 BVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn der Versorgungsberechtigte von der Versorgungsverwaltung ausdrücklich nach Einkommen gefragt worden ist, falsche Angaben gemacht hat und die Verwaltung hierauf gestützt einen Bescheid über die Nichtanrechnung von Einkommen auf Versorgungsleistungen erteilt, liegt eine Regelung der Versorgungsverwaltung über die Anrechnung bzw Nichtanrechnung iS des § 31 S 1 SGB 10 vor, die ggf im Wege des § 45 SGB 10 zurückgenommen werden kann. Das gilt auch dann, wenn die Entscheidung über die Nichtanrechnung von Versorgungsleistungen gestützt auf die falschen Angaben des Versorgungsberechtigten in einem sog "Anpassungsbescheid" erfolgt. In diesen Fällen setzt sich der ursprüngliche Grundlagenbescheid nicht einfach fort, und seine Festsetzungen werden nicht lediglich rechnerisch überarbeitet. Vielmehr enthält der "Anpassungsbescheid" insoweit zusätzlich auch eine neue, eigenständige Grundregelung.

2. Rentenansprüche iS des § 44 Abs 5 S 1 BVG sind nicht nur Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch auf vertraglicher Grundlage beruhende Ansprüche. Gemeint sind alle regelmäßig wiederkehrenden und gleichmäßigen Leistungen in Geld, die auf einem einheitlichen Stammrecht beruhen, soweit auf diese Leistungen ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch besteht.

 

Orientierungssatz

Anpassungsbescheide, die nach regelmäßiger Übersendung von Einkommensfragebögen ergangen sind, setzen die Rücknahmefristen des § 45 Abs 3 SGB 10 erneut in Lauf, wenn eine Rücknahme des rechtsverbindlichen und bestandskräftigen Grundlagenbescheides nicht mehr möglich ist.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechnung der einkommensabhängigen Bezüge der Klägerin nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie die vom Beklagten geltend gemachte Erstattung von überzahlten Leistungen.

Die Klägerin war in erster Ehe verheiratet mit dem 1915 geborenen und im Februar 1942 während des 2. Weltkriegs in der damaligen Sowjetunion gefallenen (Beschädigter). Nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes beantragte die Klägerin im Januar 1970 die Gewährung von Witwenversorgung nach dem Beschädigten. In einem Einkommensfragebogen des Versorgungsamtes K. gab die Klägerin am 10.02.1970 an, aus der Rentenversicherung der Arbeiter erhalte sie eine Invaliden-Witwenrente in Höhe von 241,90 DM. Die Frage, ob sie Leistungen erhalte, die mit Rücksicht auf ein früheres Dienst- oder Arbeitsverhältnis oder eine frühere selbständige Berufstätigkeit oder als zusätzliche Versorgungsleistung einer berufsständischen Organisation laufend gewährt würden, beantwortete die Klägerin durch Einfügen eines Striches in das Antwortfeld.

Mit Bescheid vom 22.04.1970 gewährte das Versorgungsamt Koblenz der Klägerin Witwenversorgung nach dem BVG ab 01.01.1970, einschließlich Ausgleichsrente in Höhe von 188,-- DM und Schadensausgleich in Höhe von 49,-- DM. In dem Bescheid wurde unter VI. darauf hingewiesen, daß die Ausgleichsrente und der Schadensausgleich abhängig von den persönlichen Verhältnissen sowie den Einkommensverhältnissen seien und daß die Änderung dieser Verhältnisse angezeigt werden müsse. Auch wurde darauf hingewiesen, daß bei den mitzuteilenden Änderungen des Einkommens andere Ansprüche in Geld oder Geldeswert den Einkünften gleichständen.

In den Folgejahren ließ die Klägerin die Fragen nach Werksrenten oder ähnlichen Bezügen in den ihr übersandten Einkommensfragebögen des Beklagten entweder offen oder verneinte entsprechende Einkünfte.

Im Mai 1993 wurde dem Versorgungsamt bekannt, daß die Klägerin neben der Witwenrente noch eine Zusatz- bzw. eine Betriebsrente nach ihrem zweiten Ehemann vom in Höhe von 804,-- DM (Juni 1992) bezogen hatte. Auf Anfrage teilte die Regionalversorgung T. der die Bezüge mit, welche die Klägerin seit dem Tode ihres Ehemannes bezogen hatte. Das Versorgungsamt hörte die Klägerin hierzu mit Schreiben vom 09.08.1993 an, berechnete die Versorgungsleistungen der Klägerin neu und stellte zur Vermeidung weiterer Überzahlungen die laufenden Rentenzahlungen zum 01.10.1993 ein. Mit weiterem Anhörungsschreiben vom 14.10.1993 teilte das Versorgungsamt der Klägerin mit, ihr habe eine Rente nach dem BVG unter Berücksichtigung der Leistungen des nicht zugestanden. Es sei beabsichtigt, die Versorgungsleistungen rückwirkend ab 01.07.1984 neu zu regeln und die zuviel gezahlten Bezüge in Höhe von 32.181,-- DM zurückzufordern. Ihr Verhalten, trotz wiederholtem Hinweis auf die Anzeigeverpflichtungen die Leistungen des RWE nicht anzugeben, stelle eine besonders schwere Verletzung der ihr obliegenden Mitwirkungspflichten dar, so daß ihr Vertrauen in den Bestand der fehlerhaften Bescheide nicht schutzwürdig sei. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 20.10.1993 mit, sie sei damals aus dem Kranke...

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