Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Beitragszuschuss. Übermaßverbot. Ruhen des Anspruchs. Sanktion. Verspätete Vorlage des neuen Einkommensteuerbescheides. Mitwirkungspflicht. Verschulden. Leichte Fahrlässigkeit. Ermessensausübung. Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die vom Gesamtverband der Landwirtschaftlichen Alterskassen erlassenen Ermessensrichtlinien zu § 32 Abs 4 S 1 ALG sind rechtmäßig. 2. Eine Ermessensreduzierung auf Null wird durch diese Richtlinien im Einzelfall nicht bewirkt, wenn es sich um einen atypischen Fall handelt. Ein solcher ist gegeben, wenn der Landwirt der landwirtschaftlichen Alterskasse den offensichtlich fehlerhaften Steuerbescheid nicht vorgelegt hat, um dieser die Auszahlung eines zu hohen Beitragszuschusses zu ersparen.
Orientierungssatz
Die Feststellung des BSG (vgl BSG vom 6.2.2001 - B 10 LW 19/99 R), dass auch ein nicht bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid vorzulegen ist, beinhaltet eine uneingeschränkte Vorlagepflicht für alle Steuerbescheide, auch soweit sie noch nicht bindend sind.
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 15.09.1999; Aktenzeichen S 11 Lw 36/97) |
Tenor
1 Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 15.9.1999 insoweit abgeändert, als die Beklagte Beitragszuschüsse in Höhe von jeweils 20,00 DM von beiden Klägern zurückgefordert hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob Ansprüche der Kläger auf Beitragszuschüsse in der Zeit vom 1.1. bis 31.3.1997 zum Ruhen gekommen sind.
Die Kläger –Eheleute– bewirtschaften ein landwirtschaftliches Unternehmen. Im November 1995 beantragten sie bei der Beklagten die Gewährung eines Beitragszuschusses.
Mit Bescheiden vom 9.2.1996 bewilligte die Beklagte den Klägern einen Beitragszuschuss von monatlich jeweils 233,– DM ab November 1995. Durch Bescheide vom gleichen Tag erhöhte sie den Beitragszuschuss ab 1.1.1996 auf jeweils 249,– DM monatlich. Mit Bescheiden vom 4.6.1996 wurde dieser Beitragszuschuss für die Zeit ab 1.4.1996 in gleicher Höhe weiter gewährt. Mit Bescheiden vom 5.6.1997 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit ab 1.4.1997 einen Zuschuss in Höhe von jeweils 252,– DM.
Die Kläger legten den Einkommensteuerbescheid des zuständigen Finanzamts vom 4.11.1996 der Beklagten nicht vor. Sie übersandten dieser am 18.3.1997 den Änderungsbescheid des Finanzamts vom 13.3.1997. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 6.6.1997 unter teilweiser Aufhebung der Bewilligungsbescheide das Ruhen der Beitragszuschüsse vom 1.1. bis 31.3.1997 fest und forderte von den Klägern die gezahlten Zuschüsse in Höhe von jeweils 786,– DM zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Einkommensteuerbescheid vom 4.11.1996 hätte spätestens am 31.1.1997 vorgelegt werden müssen. Da die Kläger dieser Pflicht nicht nachgekommen seien, sei der Anspruch auf einen Beitragszuschuss zum Ruhen gekommen.
Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Kläger wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 11.12.1997 zurückgewiesen.
Dagegen haben die Kläger Klagen erhoben (Az S 11 Lw 36/97 und S 11 Lw 37/97), die das Sozialgericht (SG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, es könne ihnen nicht angelastet werden, den Steuerbescheid vom 4.11.1996 nicht vorgelegt zu haben, weil dieser offensichtlich rechtswidrig gewesen sei, da die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in diesem Bescheid vom Finanzamt nicht berücksichtigt worden seien.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 15.9.1999 die Bescheide vom 6.6.1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11.12.1997 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Pflicht zur Vorlage des Steuerbescheides gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 1. Halbs des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) bestehe nicht, wenn der Steuerbescheid offensichtlich rechtswidrig sei und der Versicherte durch dessen Vorlage in den Verdacht einer strafbaren Handlung geraten könne. So sei die Sachlage im vorliegenden Fall. Der Steuerbescheid vom 4.11.1996 sei offensichtlich unrichtig gewesen, weil er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 8.893,– DM nicht enthalten habe.
Gegen dieses ihr am 14.1.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.1.2000 beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung der Beklagten. Diese hat unter dem 13.2.2001 erklärt, unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 34 Abs. 4 ALG reduziere sie ihre Rückforderung des Beitragszuschusses auf jeweils 176,–DM.
Die Beklagte trägt vor: Soweit es um die Rückforderung eines Beitragszuschusses in Höhe von jeweils 176,– DM gehe, sei der angefochtene Bescheid ausgehend von der Rechtsprechung des BSG nicht zu beanstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Speyer vo...