Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneimittelregress. Vertrauensschutz. Zusage der Krankenkasse bzgl Kostenübernahme im konkreten Einzelfall nach Rückfrage. schriftliche Erklärung. keine zwingende Voraussetzung für die Bejahung eines Vertrauensschutzes. Wobe Mugos E. Verordnungsfähigkeit
Orientierungssatz
1. Ein Vertragsarzt kann sich bei Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit der Verordnung eines Arzneimittels auf Vertrauensschutz berufen, wenn er und/oder der Versicherte bei der zuständigen Krankenkasse nachgefragt haben, ob dieses Arzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden darf und diese die Zulässigkeit der Verordnung im konkreten Einzelfall bejaht hat.
2. Eine schriftliche Erklärung ist nicht zwingend Voraussetzung für die Bejahung eines Vertrauensschutzes, vielmehr ist eine Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
Normenkette
SGB V § 106 Abs. 2; BMV-Ä § 29; SGB X § 34
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 01.06.2011 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit der Verordnung des Arzneimittels Wobe Mugos E in den Quartalen 3/1999 bis 1/2000 in Höhe von 1.863,06 €.
Der Kläger nimmt als Arzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Beigeladenen zu 1 teil. In den Quartalen 3/1999 bis 1/2000 verordnete er für eine bei der Beigeladenen zu 2 Versicherte wiederholt das Fertigarzneimittel Wobe Mugos E. Mit Schreiben vom 21.12.2000 beantragte die Beigeladene zu 2 die Feststellung eines sonstigen Schadens und ggf die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise. Mit Schreiben vom 20.04.2001 übersandte die Gemeinsame Prüfungseinrichtung der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Pfalz den Antrag an den Kläger. Dieser teilte in seiner Stellungnahme vom 01.05.2001 mit, die Versicherte habe an einem metastasierenden Cervix-Karzinom gelitten. Der zuständige Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2 (Herr D.) habe die Kostenübernahme genehmigt; die Versicherte, die leider verstorben sei, sei selbst bei der Beigeladenen zu 2 gewesen. Mit Prüfbescheid vom 19.10.2001 setzte der Prüfungsausschuss das Verfahren aus bis zum Vorliegen einer Entscheidung in einem beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin anhängigen Verfahren. Mit Prüfbescheid vom 02.10.2002 setzte der Prüfungsausschuss wegen der Verordnung des Medikamentes Wobe Mugos E in den streitigen Quartalen einen Regress in Höhe von 1.863,06 € fest. Zur Begründung führte er aus, es sei ein Prüfverfahren nach § 106 Abs 2 iVm § 12 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 8 Abs 3 der Prüfvereinbarung durchgeführt worden. Das Medikament Wobe Mugos E sei nicht verordnungsfähig, da es an einer wirksamen Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz fehle. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte ua geltend, auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gehe davon aus, dass das Arzneimittel immer noch zugelassen sei. Mit Bescheid vom 21.08.2003 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, bei der Überprüfung der Zulässigkeit der Verordnung von Wobe Mugos E handele es sich um die Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä). Nach der aktuellen Rechtsprechung (Hinweis auf VG Berlin 18.12.2001 - VG 14 A 218.98 und Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz 22.10.1999 - L 5 K 22/97) habe er, der Beklagte, nicht "umhin kommen können", die ausgesprochenen Regresse für die nicht zulässigen Verordnungen von Wobe Mugos E zu bestätigen.
Hiergegen hat der Kläger am 05.09.2003 Klage beim Sozialgericht (SG) Mainz erhoben. Er hat erneut geltend gemacht, die Beigeladene zu 2 habe der Versicherten und deren Ehemann erklärt, der Kläger dürfe ihr Wobe Mugos E verordnen. Auf seinen Anruf habe die Beigeladene zu 2 dies bestätigt. Der Beklagte hat ein Schreiben der Beigeladenen zu 2 vom 02.01.2007 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, eine schriftliche Kostenübernahmeerklärung liege nicht vor. Gemäß § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedürfe eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das SG hat durch Urteil vom 06.10.2010 den Bescheid vom 21.08.2003 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, Wobe Mugos E sei bereits seit 1998 nicht mehr verordnungsfähig, sodass die Verordnung unwirtschaftlich im Sinne von § 106 Abs 2 S 1 SGB V sei. Der Beklagte habe aber zu Unrecht einen sonstigen Schaden im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften festgesetzt.
Gegen das ihm am 18.11.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 26.11.2010 Berufung eingelegt. Mit Bescheid vom 01.06.2011 hat er den Bescheid vom 21.08.2003 gemäß § 44 Abs 2 SGB X zurückgenommen und erneut ei...