Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Essen vom 14.11.2007 - L 11 KA 36/07, das vollständig dokumentiert ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.11.2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen.
Der Kläger nimmt als Arzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den Quartalen II/2002 und III/2002 verordnete er das Fertigarzneimittel Wobe Mugos E für eine bei der Beigeladenen zu 2) versicherte Patientin und im Quartal II/2002 für eine bei der Beigeladenen zu 3) versicherte Patientin. Beide Patientinnen litten an einem Mammakarzinom.
Das verordnete Präparat befand sich auf Grund einer im Juni 1978 erstatteten Anzeige bei dem damals zuständigen Bundesgesundheitsamt auf dem Markt; die Anzeige erfolgte für eine rektale Anwendungsform. Im Verlängerungsantrag des neuen Herstellers im Dezember 1989 wurde eine orale Darreichungsform angegeben. Das nunmehr zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte den Verlängerungsantrag mit Bescheid vom 09.06.1998 ab, weil auf Grund des Wechsels der Darreichungsform zwischen dem 1978 angezeigten und dem zur Nachzulassung anstehenden Arzneimittel keine Identität bestehe. Die Klage des Herstellers war in allen Instanzen erfolglos (zuletzt OVG Berlin, Urteil vom 07.05.2005 - 5 B 8.03). Mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 09.06.1978 hatte die Klage aufschiebende Wirkung. Der Hersteller hat das Mittel zum 01.09.2005 aus dem Verkehr genommen.
Auf Prüfanträge der Beigeladenen zu 2) und 3) setzte der Prüfungsausschuss mit Beschlüssen vom 20.08.2003 und 08.11.2003 jeweils Regresse in Höhe von 263,45 Euro bzw. 263,44 Euro fest. Zur Begründung führte er aus, die fiktive Zulassung von Wobe Mugos E bestehe nach der Ablehnung des Verlängerungsantrags nur auf Grund der aufschiebenden Wirkung der Klage fort. Ein Arzneimittel mit einem nicht ausreichend gesicherten therapeutischen Nutzen dürfe ein Arzt nach den Arzneimittelrichtlinien nicht verordnen. Der Kläger wandte ein, Wobe Mugos sei verkehrsfähig, dies hätten auch Sozialgerichte und verschiedene Prüfgremien bestätigt. Es sei jeweils im zugelassenen Anwendungsgebiet eingesetzt worden. Zahlreiche Studien belegten die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments beim primären Mammakarzinom. Somit seien die Verordnungen nicht unwirtschaftlich gewesen. Der Beklagte wies die Widersprüche mit Beschlüssen vom 13.08.2004 bzw. 19.01.2005 zurück. Mit der Ablehnung der Verlängerung der Zulassung sei Wobe Mugos E nicht mehr verkehrsfähig und dürfe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr verordnet werden. Das Einlegen von Rechtsmitteln gegen den ablehnenden Bescheid des BfArM und die daraus folgende aufschiebende Wirkung der Klage bewirke keine sozialrechtliche Verordnungsfähigkeit. In der Ablehnungsentscheidung des BfArM spiegelten sich Zweifel an der Unbedenklichkeit und/oder einem ausreichenden Beleg der therapeutischen Wirksamkeit wider. Insoweit könne bei Versagung eines Nachzulassungsantrages eine fiktive Zulassung nicht ausreichen, um die Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen.
Der Kläger hat gegen beide Beschlüsse fristgerecht Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Beschluss vom 15.08.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 27.09.2005 (SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) entschieden, dass zwar Wobe Mugos E auf Grund der aufschiebenden Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage arzneimittelrechtlich verkehrsfähig gewesen sei, diese auf der bloßen Inanspruchnahme einer verfahrensrechtlichen Position beruhende Verkehrsfähigkeit aber nicht ausreiche, um die Leistungspflicht innerhalb der GKV zu begründen, weil es an der positiven Bewertung von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels fehle.
Der Kläger hat zur Begründung der Klage vorgetragen, er habe eine fehlende Verordnungsfähigkeit nicht erkennen können. Unter anderem das Sozialgericht Dortmund habe früher entschieden, dass Wobe Mugos von den Versicherten beansprucht werden könne. Selbst der Beklagte sei nicht in der Lage gewesen, seine Auffassung zutreffend zu begründen, denn nach der Entscheidung des BSG sei nicht die Verkehrsfähigkeit entfallen gewesen, vielmehr habe das BSG nur in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung trotz fortbestehender Verkehrsfähigkeit die Verordnungsfähigkeit verneint. Ohnehin sei die Rechtsprechung des BSG auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) überholt. Das BVerfG habe entschieden, dass bei lebensbedrohlichen Erkrankungen Versicherte schon dan...