Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme von Wobe Mugos E im Rahmen der Arzneimittelversorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Vorwerfbarkeit. festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise. unklare Rechtslage. Vertrauensschutz. Beratung vor Regress

 

Orientierungssatz

1. Die auf der bloßen Inanspruchnahme einer verfahrensrechtlichen Position beruhende Verkehrsfähigkeit von Wobe Mugos E reicht nicht aus, um einen Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln nach dem SGB 5 zu begründen (Anschluss an BSG vom 27.9.2005 - B 1 KR 6/04 R = SozR 4-2500 § 31 Nr 3).

2. Im Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfung kommt es auf die Vorwerfbarkeit für die festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise nicht an. Selbst eine "im guten Glauben" vorgenommene Verordnung kann daher zu Ersatzansprüchen gegen den Arzt führen (vgl ua BSG vom 21.5.2003 - B 6 KA 32/02 R = SozR 4-2500 § 106 Nr. 1 und zuletzt BSG vom 30.05.2006 - B 6 KA 14/06 B).

3. Allein eine unklare Rechtslage kann nicht zu Vertrauensschutz führen.

4. Die Regelung des § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V fordert weder, dass einem Regress eine Beratung vorangehen müsse (vgl BSG vom 21.5.2003 - B 6 KA 32/02 R = aaO und BSG vom 30.5.2006 - B 6 KA 14/06 B), noch lässt sich der Vorschrift entnehmen, dass die Prüfgremien in jedem Fall darlegen müssten, dass sie eine Beratung als Sanktion in Erwägung gezogen haben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.05.2009; Aktenzeichen B 6 KA 3/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.11.2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen.

Der Kläger nimmt als praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den Quartalen II/2001 und III/2001 verordnete er mehrfach für eine bei der Beigeladenen zu 2) versicherte Patientin das Fertigarzneimittel Wobe Mugos E wegen eines metastasierten Mammakarzinoms. Das verordnete Präparat befand sich auf Grund einer im Juni 1978 erstatteten Anzeige bei dem damals zuständigen Bundesgesundheitsamt auf dem Markt; die Anzeige erfolgte für eine rektale Anwendungsform. Im Verlängerungsantrag des neuen Herstellers im Dezember 1989 wurde eine orale Darreichungsform angegeben. Das nunmehr zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) lehnte den Verlängerungsantrag mit Bescheid vom 09.06.1998 ab, weil auf Grund des Wechsels der Darreichungsform zwischen dem 1978 angezeigten und dem zur Nachzulassung anstehenden Arzneimittel keine Identität bestehe. Die Klage des Herstellers war in allen Instanzen erfolglos (zuletzt OVG Berlin, Urteil vom 07.05.2005 - 5 B 8.03). Mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 09.06.1978 hatte die Klage aufschiebende Wirkung. Der Hersteller hat das Mittel zum 01.09.2005 aus dem Verkehr genommen.

Auf Prüfanträge der Beigeladenen zu 2) setzte der Prüfungsausschuss mit Beschluss vom 08.06.2004 einen Regress in Höhe von insgesamt 1.451,48 Euro zu Gunsten der Beigeladenen zu 2) fest. Zur Begründung führte er aus, spätestens seit der Ablehnung der Verlängerung der Zulassung am 09.06.1998 sei Wobe Mugos E nicht mehr verkehrsfähig und dürfe somit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr verordnet werden. Durch die Klage gegen den Bescheid und die daraus folgende aufschiebende Wirkung werde eine sozialrechtliche Verordnungsfähigkeit weder erhalten noch hergestellt. In der Ablehnungsentscheidung des BfArM spiegele sich der Zweifel an der Unbedenklichkeit und/oder dem ausreichenden Beleg der therapeutischen Wirksamkeit wider. Das Arzneimittel entspreche damit nicht der Mindestanforderung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Der Kläger wandte mit seinem Widerspruch ein, er habe das Arzneimittel während einer ambulanten Strahlenbehandlung auf Grund einer Empfehlung der Klinik verordnet. Das Präparat sei nach der "Roten Liste" zur Langzeitbehandlung von Tumoren und zur Behandlung während einer Strahlentherapie zugelassen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 07.12.2005 zurück. Er wiederholte im Wesentlichen die Ausführungen des Prüfungsausschusses und wies ergänzend auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.09.2005 (SozR 4-2005 § 31 Nr. 3) hin. Das BSG habe entschieden, dass zwar Wobe Mugos E auf Grund der aufschiebenden Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage arzneimittelrechtlich verkehrsfähig gewesen sei, diese auf der bloßen Inanspruchnahme einer verfahrensrechtlichen Position beruhende Verkehrsfähigkeit aber nicht ausreiche, um die Leistungspflicht innerhalb der GKV zu begründen, weil es an der positiven Bewertung von Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels fehle.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, das Urteil des BSG vom 27.09.2005 (a.a.O.) sei auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr....

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