Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 13.02.1976; Aktenzeichen S 16 U 208/73)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer, Zweigstelle Mainz, vom 13. Februar 1976 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird dieses Urteil abgeändert:

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 1973 wird abgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die 1923 geborene Klägerin – jugoslawische Staatsangehörige – begehrt die Weitergewährung der ihr von der Beklagten entzogenen Elternrente.

Der am … 1943 geborene Sohn der Klägerin B. S. (S.) kam als lediger Automechaniker im Herbst 1968 in die Bundesrepublik Deutschland und begann seine Gastarbeitertätigkeit am 29. Oktober 1968 bei der Firma W. GmbH in N. und verdiente ca. 1.000,– DM brutto monatlich. In diesem Unternehmen erlitt er am … 1969 einen tödlichen Arbeitsunfall. Im Oktober 1969 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elternrente mit dem Hinweis, ihr veruglückter Sohn sei der einzige Ernährer gewesen. Er habe mit ihr im Haushalt zusammengelebt und sie regelmäßig unterstützt. Er sei nicht verlobt gewesen und Heiratsabsichten hätten nicht bestanden. Sie sei nicht berufstätig, ohne Vermögen und nicht steuerpflichtig. Sie lebe von ihrem Ehemann getrennt, der als Invalide über ein geringes Einkommen verfüge und sie nicht unterstütze. Mit Bescheid vom 26. März 1971 gewährte die Beklagte der Klägerin Elternrente ab 18. Juni 1969 unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes von 8.975,– DM.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 1973 entzog die Beklagte die Elternrente Ende November 1973 mit der Begründung, S. hätte im September 1973 das 30. Lebensjahr vollendet und spätestens zu diesem Zeitpunkt vorrangig Ehefrau und Kinder zu unterhalten; deswegen sei es ihre unmöglich, außerdem noch seine Mutter wesentlich zu unterstützen. Gründe, die S. davon abgehalten hätten, spätestens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres verheiratet zu sein und eine eigene Familie mit Kindern zu haben, seien nicht ersichtlich. Mit Rücksicht hierauf hätte die Klägerin keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn mehr; somit entfalle auch der Anspruch auf Elternrente.

Mit der Klage hat die Klägerin vorgetragen: Die Auffassung der Beklagten sei lebensfremd und widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten. Ihr Sohn habe sie durch Geldzahlungen aus Deutschland stets unterstützt. Er sei Automechaniker gewesen und Anhaltspunkte für die Aufgabe dieses Berufs bestünden nicht, für den Fall seiner Rückkehr nach Jugoslawien hätte er mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt; zwischen ihm und ihr habe eine enge Beziehung bestanden. Ihr Sohn habe auch niemals über Heiratsabsichten gesprochen. Im Fall einer Verheiratung wäre nach der Lebenserfahrung auch seine Frau berufstätig gewesen und ihr Sohn hätte sie weiterhin unterstützen können. Die Klägerin hat sich auf die Auskunft der Ortsgemeinschaft ihrer Heimatgemeinde vom 19. März 1975 bezogen, wonach S. vor seiner Abreise nach Deutschland in ordentlichen Arbeitsverhältnissen gelebt, sich mit seiner Mutter gut verstanden und sie unterstützt habe.

Durch Urteil vom 13. Februar 1976 hat das Sozialgericht Speyer, Zweigstelle Mainz, unter Abweisung der Klage im übrigen und Abänderung des Bescheids vom 26. Oktober 1973 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Elternrente bis zum 18. Juni 1974 zu gewähren. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: S. habe die Klägerin nur solange unterhalten können, als seine eigenen Bedürfnisse befriedigt gewesen wären und noch Überschüsse aus seinem Arbeitseinkommen vorhanden gewesen seien. Eine Heirat lasse zwar eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Eltern nicht untergehen, jedoch gehe die Unterhaltspflicht gegenüber Ehefrau und eigenen Kindern vor. Nach der Lebenserfahrung hätte sich S. im durchschnittlichen Heiratsalter von 26 Jahren verehelicht und wäre nur noch kurze Zeit in der Lage gewesen, aus seinem Arbeitsverdienst die Klägerin zu unterstützen. Dieser Zeitraum sei mit fünf Jahren nach dem Arbeitsunfall zu bemessen.

Gegen das am 14. Mai 1976 in Jugoslawien zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Juni 1976 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: In Jugoslawien sei die überwiegende Mehrheit der Frauen berufstätig und verbesserten so die Einkommensverhältnisse des Ehemannes. Dies müsse auch im vorliegenden Fall berücksichtigt werden. Dann aber sei S. auch über den Entziehungszeitpunkt hinaus in der Lage gewesen, sie wesentlich zu unterstützen. Nach jugoslawischem Recht entfalle die Unterhaltspflicht nicht mit der Verehelichung der Kinder. Ihre Einkommensverhältnisse hätten sich nicht gebessert; sie verfüge über keine Einkünfte und kein Vermögen. Ihr zwischenzeitlich geschiedener Ehemann sei im Laufe des gerichtlichen Verfahrens verstorben.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des angefochtenen Bescheids die Beklagte zu verurteilen, ihr Elternrente ohne zeitliche Begrenzung zu gewähren...

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