Entscheidungsstichwort (Thema)
Bisheriger Beruf. Berufsschutz. Verweisungstätigkeit. Berufsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein bei der Deutschen Bundesbahn bis 1956 im Arbeiterverhältnis als Kraftomnibusschaffner (Komschaffner) in Lohngruppe IV Lohntarifvertrag tätig gewesener Versicherter ist dem Leitberuf Facharbeiter zuzuordnen.
Normenkette
RVO § 1246 II
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 21.12.1981; Aktenzeichen S 9 J 152/80) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21. Dezember 1981 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 1980 abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. September 1979 zu zahlen und die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Berufungsverfahren geht der Rechtsstreit um Berufsunfähigkeitsrente.
Der 1929 geborene Kläger war, nachdem er 1943/44 als kaufmännischer Lehrling und seit 1945 als Sägewerksarbeiter tätig gewesen war, ab 1948 Arbeiter bei der Eisenbahn (Lohngruppe B). 1950 wurde ihm nach bestandener formloser Prüfung die Befähigung zur selbständigen Wahrnehmung der Dienstverrichtungen eines Zugschaffners auf Posten bei Güter- und Reisezügen zuerkannt und außerdem die Rechte eines öffentlichen Eisenbahn-Polizeibeamten verliehen. Seit 1952 arbeitete er als Kraftomnibusschaffner (Komschaffner) und war in Lohngruppe IV eingestuft, 1954 bestand er die Vorprüfung für die Zugschaffnerlaufbahn und im März 1956 die in den Laufbahnvorschriften für Zugschaffner vorgesehene Anstellungsprüfung, womit ihm die volle praktische Befähigung zum Zugschaffner mit der Dienstbezeichnung „Zugschaffner-Anwärter” zuerkannt wurde.
Ab Mai 1956 war er von der Versicherungspflicht zur Renten- und Arbeitslosenversicherung befreit. Im Juli 1957 wurde er als Bundesbahnschaffher ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen.
Mit Ablauf August 1979 ist er als Bundesbahnobersekretär wegen dauernder Dienstunfähigkeit Infolge Gicht in den Ruhestand versetzt worden.
Auf seinen hier streitbefangenen Rentenantrag vom April 1979, zu dem er eine Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr B., K., vom Mai 1979 vorgelegt hatte, ließ die Beklagte ein Gutachten des Bahnarztes Internist Dr E., K., vom Juni 1979 sowie ein Gutachten der Klinischen B.station der LVA Baden, K. vom Januar 1980 Bit Zusatzgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr U., K.-D., und des Chirurgen Dr K., B.-B., vom November/Dezember 1979 erstatten. Sodann lehnte sie Rente ab, weil der Kläger nicht berufsunfähig sei (Bescheid vom 17. Januar 1980): Seine Erwerbsfähigkeit sei zwar in der Hauptsache durch vaskulären Kopfschmerz mit leichten zerebralen Durchblutungsstörungen bei nicht behandelter Hypertonie, HWS-Syndrom ohne Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen bei altersentsprechenden Verschleißerscheinungen der HWS, Verschleißerscheinungen der LVS ohne wesentliche muskuläre Reizerscheinungen ohne radikuläre Symptomatik sowie Hypertonie ohne Zeichen einer koronaren oder kardialen Belastungsinsuffizienz gemindert. Er sei jedoch noch imstand, mittelschwere und leichte Arbeiten im vor Übernahme ins Beamtenverhältnis ausgeübten Hauptberuf als Bahnunterhaltungsarbeiter sowie solche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Diese Tätigkeiten seien ihm unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands und der während des Erwerbslebens erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten zuzumuten.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger eine Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin S. Dr. R., N., vom Januar 1981 überreicht, worin es heißt, daß der Kläger in den letzten Wochen unter einer wesentlichen Verschlimmerung seiner Polyarthrose leide, zZ stärker gehbehindert sei und Kurzwellen sowie laufende Injektionen bekomme.
Das Sozialgericht Speyer hat ein Gutachten der O.-Klinlk, Chirurgisch-Orthopädische Krankenanstalt in M. (Chefarzt Dr D./Oberarzt Dr Sc.) mit einem Zusatzgutachten des Facharztes für Nervenkrankheiten Dr B., M., vom Februar 1981 und ein Gutachten der Medizinischen Abteilung des Krankenhauses der Ev. D. S. vom September 1981 eingeholt. Dres Sch. und T., Chefarzt und Oberarzt des letztgenannten Krankenhauses, sind ua zum Ergebnis gelangt: Neben den orthopädisch und neurologisch-psychiatrisch festgestellten Gesundheitsstörungen lägen beim Kläger eine primär chronische Polyarthritis und ein arterieller Hochdruck mit beginnender Kranzgefäßverhärtung vor. Bezüglich der Einsatzfähigkeit im Erwerbsleben bedinge allerdings die Polyarthritis kein über das orthopädische Gutachten hinausgehendes Maß an Behinderungen. Der Kläger sollte von allen körperlich schweren Arbeiten, von Arbeiten mit Zwangshaltungen sowie Heben und Tragen schwerer Lasten ausgeschlossen werden. Auch Arbeiten im Freien und mit Zugluft oder Durchnässungen verböten sich. Körperlich leichte Arbeiten seien jedoch...