Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 27.07.1995; Aktenzeichen S 2 U 46/94) |
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 27.7.1995, Az: S 2 U 46/94, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung und Entschädigung einer Neuborreliose als Arbeitsunfall bzw als Berufskrankheit.
Der Kläger ist 1949 geboren. Bei ihm ist als Wehrdienstbeschädigung der Verlust des linken Auges mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH anerkannt. Seit 1976 ist er bei der Verbandsgemeindeverwaltung L. als Bautechniker beschäftigt. Laut Auskunft der Verbandsgemeindeverwaltung vom 30.12.1992 war er neben seiner Tätigkeit als Bautechniker (verantwortlich für Bebauungs- und Flächennutzungspläne sowie Stadtplanungen) bis zum 31.12.1990 hauptverantwortlich für die Betreuung der Wasserwerke. Am 7.8.1990 wurde er nach eigenen Angaben auf einer Kontrollfahrt zum Hochbehälter B. von einem unbekannten Insekt im Bereich der rechten Schläfe gestochen. Seine Arbeitskollegin Birgit K. bestätigte der Beklagten gegenüber im August 1991, nach Rückkehr des Klägers auf der Verwaltung habe der Kläger sie gebeten, nach seiner rechten Stirnseite zu sehen, da er dort Schmerzen habe; sie habe jedoch nur einen Insektenstich sehen können.
Ende September 1990 suchte der Kläger wegen aufgetretener Schmerzen unterhalb des linken Schulterblatts zunächst seinen Hausarzt und dann den Orthopäden Dr. K. und im Oktober 1990 wegen zunehmender Schmerzen auch in anderen Bereichen und Taubheitsgefühlen den Neurologen und Psychiater Dr. H. auf. Im Brüderkrankenhaus St. J. in K. wurde anläßlich eines stationären Aufenthalts des Klägers vom 22.10.–2.11.1990 eine Meningo-Radikulitis bei Borrelien-Infektion diagnostiziert. Nachdem der Kläger im Dezember 1990 seine Tätigkeit wieder aufgenommen hatte, traten im Mai 1991 wiederum Krankheitsanzeichen auf, die erneute stationäre Behandlungen vom 24.–28.6. und vom 1.–7.7.1991 erforderlich machten; als Diagnose wurde „Zustand nach Neuborreliose 1990” bei klinischer und serologischer Befundverschlechterung festgehalten.
Nachdem die Verbandsgemeindeverwaltung L. im September 1990 eine Unfallanzeige erstattet hatte, holte die Beklagte die oa Auskunft von Frau K. ein und forderte Befundberichte von Dr. K., Dr. H. und vom B.krankenhaus St. J. sowie die den Kläger betreffende Mitglieder- und Leistungskarte der Techniker-Krankenkasse an.
Die Beklagte veranlaßte sodann eine Begutachtung durch Oberfeldarzt (OFA) M. Arzt für Neurologie und Psychiatrie (mit Dr. D.), Bu.krankenhaus K. Dieser diagnostizierte eine Neuborreliose und führte zu der Frage, ob die beim Kläger bestehenden Beschwerden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 7.8.1990 zurückzuführen seien bzw welche Ursachen sonst in Betracht kämen, weiter aus, einerseits könne natürlich nicht geprüft werden, ob der Kläger nicht auch außer Dienst von einer Zecke gestochen worden sei; andererseits passe der zeitliche Zusammenhang der Erkrankung und der Insektenstiche, und der Kläger habe glaubhaft gemacht, daß damals das berufliche Risiko, von einem Insekt gestochen zu werden, hoch gewesen sei.
Im Mai 1992 wurden dem Kläger als Vorschuß auf die voraussichtlich zu erwartenden Rentenleistungen 3.000,– DM überwiesen.
Der Neurologe und Psychiater Dr. B. kam in einem weiteren von der Beklagten veranlagten Gutachten vom 25.6.1992 zu dem Ergebnis, die beim Kläger bestehende weitgehend zurückgebildete Meningo-Radikulitis nach Borreliosen-Infektion mit geringgradigen lokalisierten linksseitigen Sensibilitätsstörungen könne nicht als Folge des Ereignisses am 7.8.1990 anerkannt werden. Abgesehen davon, daß die Borreliose in Europa so gut wie ausschließlich durch Zeckenbiß übertragen werde, der vorliegend niemals beschrieben worden sei, sei auch der scheinbar schnelle Verlauf der Erkrankung mit Insektenbiß am 7.8.1990 und erstmaligem Auftreten erster Symptome im Sinne einer Meningo-Radikulitis etwa sechseinhalb Wochen nach dem Insektenstich uncharakteristisch.
Der Arzt für Innere Medizin – Kardiologie pr Kl. vertrat in einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten vom 16.10.1992 die Auffassung, eine Berufskrankheit könne nicht anerkannt werden. Die Übertragung der Borreliose erfolge in Europa überwiegend durch Zeckenbiß. Der Kläger habe jedoch einen Bienenstich angegeben. Typische Hautveränderungen im Sinne eines Erythema chronicum migrans seien nicht beschrieben worden. Daher sei der Zeitpunkt der Infektion unklar. In über 50 vH der Fälle sei den an Borreliose erkrankten Patienten ein Zeckenbiß nicht bekannt, so daß nicht erstaunlich sei, daß beim Kläger eine Infektion erfolgt sei, ohne daß ihm ein Zeckenbiß erinnerlich sei. Aufgrund der Beschreibung seiner vornehmlich sitzenden Tätigkeit vor allem in der Stadtplanung sei eher unwahrscheinlich, daß er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit die Infektion erlit...