Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 30.01.1991; Aktenzeichen S 5 Vs 156/89) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 30.1.1991 insoweit abgeändert, als es den Beklagten zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des NTA „RF” verurteilt hat und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung des Nachteilsausgleichs (NTA) „RF” nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Im Juni 1988 beantragte der 1931 geborene Kläger erstmals die Feststellung eines Grads der Behinderungen (GdB) sowie des NTA „RF” nach Kehlkopfkrebs. Er legte ärztliche Bescheinigungen der HNO-Ärzte Dr. M. und Dr. R. vor, wonach Kehlkopflose generell von der Rundfunk- und Fernsehgebühr zu befreien seien.
Das Versorgungsamt holte Befundberichte ein, welche Medizinaldirektorin W.-S. auswertete, die auch den Kläger in Augenschein nahm. Der Kläger gab gegenüber der Ärztin an, bei schlechtem Wetter sei die Kanüle manchmal verstopft, er komme damit jedoch ganz gut zurecht. Eine übermäßige Schleimproduktion sei nicht vorhanden.
Mit Bescheid vom 30.12.1988 stellte das Versorgungsamt Landau als Behinderungen
- Verlust des Kehlkopfes,
- Funktionseinschränkung des rechten Armes
und einen GdB von 100 fest. Die gesundheitlichen Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen wurden nicht festgestellt.
Im Widerspruchsverfahren begehrte der Kläger die Feststellung der NTAe „G” und „RF”. Er führte aus, einem Laryngektomierten sei es absolut unmöglich, ständig an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.3.1989 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, an denen nicht ein solcher Lärm herrsche, daß störende Atemgeräusche und Husten nicht auffallen. Alle Veranstaltungen, an welchen die Besucher keine Geräusche verursachen dürften, könne er nicht mehr besuchen. Durch schlechte Luft würden seine Atemwege gereizt, weshalb bei ihm zeitweise ein äußerst, störendes und starkes Abhusten auftrete. Auch seien Atemgeräusche hörbar.
Das Sozialgericht (SG) Speyer hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des praktischen Arztes Dr. B. des Prof. Dr. H. Direktor der HNO-Klinik der St. V. Krankenhäuser K. und eines Gutachtens auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG des Prof. Dr. Mü., Direktor der HNO-Klinik des Klinikums der Stadt L.
Prof. Dr. H. hat in seinem Befundbericht mitgeteilt, der Kläger müsse Veranstaltungen in rauchiger Luft unbedingt meiden. Öffentliche Veranstaltungen könnten durch ihn erheblich gestört werden wegen der chronischen Reizerscheinungen der Luftröhre mit nicht kontrollierbaren Hustenanfällen und geräuschvollem Abhusten von Sekret. Auch sei es manchmal erforderlich, die Trachealkanüle zu reinigen, wenn sie verstopft sei.
Prof. Dr. Mü. hat in seinem Gutachten nach einer Untersuchung des Klägers im September 1990 ausgeführt, für Kehlkopflose wie der Kläger seien die Voraussetzungen des NTA „RF” in der Regel erfüllt. Natürlich sei ein Kehlkopfloser nicht allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen. Er wirke aber auffallend, störend und gelegentlich auch abstoßend. Der Kläger könne nur an Veranstaltungen teilnehmen, an denen nicht geraucht werde. Die Teilnahme sei auch dadurch eingeschränkt, daß er sich nicht ohne Aufsehen sprachlich äußern könne. Dem Kläger solle der NTA „RF” auch aus Gleichbehandlungsgründen zugebilligt werden.
Der Beklagte ist dem Gutachten durch die Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinaldirektors Dr. L. entgegengetreten. Dr. L. hat ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob der Kläger sich aktiv an öffentlichen Veranstaltungen beteiligen könne, sondern ob er teilnehmen könne.
Mit Urteil vom 30.1.1991 hat das SG Speyer die Klage hinsichtlich des NTA „G” abgewiesen und den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des NTA „RF” verurteilt. Der Kläger könne ständig nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Die Berufstätigkeit des Klägers spreche nicht dagegen. Denn der Kläger stelle durch seine auf die Umgebung abstoßend oder störend wirkende Behinderung eine Zumutung für andere Besucher von öffentlichen Veranstaltungen dar. Ihm stehe deshalb der NTA „RF” zu.
Am 28.2.1991 hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG eingelegt.
Der Beklagte trägt vor,
auch der Sachverständige Prof. Dr. Mü. habe den Kläger noch nicht für nicht außerstande gehalten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Dies sei aber wegen seiner Sprache weder für ihn noch für Dritte zumutbar. Die Atemgeräusche überschritten aber nicht das bei Kanülenträgern übliche Ausmaß, so daß alle Veranstaltungen im Freien, wie Volksfeste, eine Vielzahl von Sportveranstaltungen, Versammlungen aller Art, Konzerte und sonstige Ausfü...