Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Klagefrist. Anfechtung des Bescheides eines Krankenversicherungsträgers über die Nichtfeststellung der Versicherungspflicht durch einen Rentenversicherungsträger. fehlende Rechtsbehelfsbelehrung. Jahresfrist. Monatsfrist. Grundsatz von Treu und Glauben. Ermessensreduzierung auf Null bei Erlass eines Rücknahmebescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung anstelle der Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG ausnahmsweise wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Monatsfrist des § 87 Abs 1 S 1 SGG zur Anwendung kommen kann.
2. Bei der Rücknahme eines Bescheides, in welchem die Einzugsstelle das Vorliegen einer versicherungsfreien Tätigkeit festgestellt hatte, nach § 45 SGB 10 kann das Ermessen auf Null reduziert sein.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 27.11.2009 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob die Beklagte zu Recht einen Bescheid zurückgenommen hat, in dem sie festgestellt hatte, dass der Kläger in der Zeit vom 1.7.1986 bis zum 30.9.2000 nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei.
Der 1964 geborene Kläger war seit 1981 bei der früheren Firma A KG tätig. Dieses Unternehmen, das seit 1926 in unterschiedlicher Rechtsform als Familienunternehmen betrieben worden war, handelte nach Angaben des Klägers mit Werkzeugen, Maschinen und Baubeschlägen. Im Gewerberegister war das Unternehmen wie folgt bezeichnet: "Eisenwaren-, Haushaltswaren-, Waffen-, Munitions- und Sportartikelgeschäft (Einzelhandelsgeschäft) und Eisenwarengroßhandlung". Inhaber des Unternehmens waren seit 1974 die Eltern des Klägers, H und E P .
Der Kläger absolvierte von 1981 bis 1983 in diesem Unternehmen eine Lehre und war in ihm auch nach seinem Wehrdienst (1.4.1985 bis 30.6.1986) bis zum 30.9.2000 tätig. Seinen Angaben zufolge war er vor allem mit den Bereichen Werbung bzw Marketing, Sortimentsgestaltung und strategische Ausrichtung des Unternehmens befasst und für den Ein- und Verkauf sowie die Netzwerkadministration zuständig. Er war über das Betriebskonto verfügungsberechtigt; ihm war mündlich Handlungsvollmacht erteilt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Nach seinen Angaben arbeitete der Kläger wöchentlich durchschnittlich 50-60 Stunden. Sein Arbeitsentgelt wurde ihm auf ein privates Konto überwiesen. Hiervon wurde Lohnsteuer entrichtet. Das Arbeitsentgelt wurde als Betriebsausgabe bei der KG verbucht. Im Jahre 2000 gründete der Kläger die Firma A GmbH (Beigeladene zu 3), an der er mit dem Firmenmitarbeiter R T zu gleichen Teilen beteiligt ist. Die Firma A KG wurde am 31.12.2001 im Gewerberegister abgemeldet.
Im Mai 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit bei der Firma A KG ua in der Zeit vom 1.7.1986 bis zum 1.10.2000. Er legte Unterlagen vor, ua eine von ihm und seinem Vater unterschriebene Erklärung, wonach er aufgrund der begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Firma auf einen Teil seines Gehalts habe verzichten müssen.
Mit an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 5.7.2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 1.7.1986 selbstständig und damit nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Zur Begründung führte sie an: Der Kläger habe durch Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse herbeiführen und verhindern können, sei vom Selbstkontrahierungszwang nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit gewesen und habe als einziger im Betrieb über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt. In diesem Bescheid hieß es außerdem, gegen diesen könne innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch erhoben werden. Seinen gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch nahm der Kläger im Januar 2006 zurück.
Mit Schreiben vom 6.2.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit: Die Begründung des Bescheides vom 5.7.2005 sei unrichtig gewesen. Richtigerweise müsse sie lauten, dass der Kläger nicht an Weisungen des Betriebsinhabers gebunden gewesen sei, seine Tätigkeit habe frei bestimmen können, ein Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden sei und er auf Gehaltsteile verzichtet habe.
Nachdem der Kläger in der Folgezeit bei der Beigeladenen zu 1 (Rentenversicherungsträger) die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge beantragt hatte, bat diese die Beklagte unter dem 24.3.2006 um Übersendung des Bescheides über das Nichtbestehen von Versicherungspflicht. Unter dem 29.3.2006 kam die Beklagte diesem Ansinnen nach. Der Bescheid vom 5.7.2005 ging bei der Beigeladenen zu 1 am 3.4.2006 ein. Unter dem 10.4.2006 widersprach die Beigeladene zu 1 gegenüber der Beklagten der Auffassung, beim Kläger habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Im Juni 2006 teil...