Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 12.05.1987; Aktenzeichen S 6 Vs 163/85)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.1991; Aktenzeichen 9a/9 RV 15/88)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 12.5.1987 sowie der Bescheid des Beklagten vom 14.5.1985 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilausgleichs „RF” (Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht) festzustellen.

2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „RF”.

Die Behinderungen der 1921 geborenen Klägerin sind unstreitig: „1. Zustand nach Unterleibsoperation (1979); 2. Herz-Kreislaufminderleistung nach Infarkt 1971 und Bluthochdruck; 3. chronische Bronchitis; 4. depressive Verstimmung und Hirnleistungsschwäche.” Der hierdurch bedingte Grad der Behinderung (GdB) beträgt 80. Darüber hinaus sind die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche „B” und „G” festgestellt (Ausführungsbescheid des Beklagten vom 24.6.1987).

Im Januar 1984 hatte die Klägerin ua auch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „RF” (Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht) beantragt. Im Rahmen einer hierzu durchgeführten Begutachtung hatte sie gegenüber Medizinaldirektor Dr. Z. angegeben, sie leide unter Husten und Auswurf, besonders morgens. Der Sachverständige hatte jedoch die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „RF” verneint. Dem schloß sich der Beklagte im Bescheid vom 14.5.1985 an.

Im gegen diesen Bescheid gerichteten Klageverfahren hat sich die Klägerin nicht nur gegen die abgelehnte Feststellung des Nachteilsausgleichs „RF”, sondern auch gegen die Herabsetzung des GdB-Grades von 80 auf 60 und die Verneinung des Nachteilsausgleichs „B” gewandt.

Auf ihren Antrag hin hat ihr Hausarzt von W. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten erstattet. Er hat darin am 14.11.1986 ua ausgeführt, die bestehende deutliche obstruktive Bronchitis der Klägerin führe zu quälenden Hustenattacken. Hierdurch sei die Klägerin ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

In dem von Amts wegen eingeholten nervenärztlichen Gutachten hat der Sachverständige M. am 30.3.1987 dargelegt, bei der Untersuchung seien initiale Hustenattacken mit kurzfristiger absenceartiger Bewußtseinsstörung aufgetreten. Die Hustenanfälle wirkten in öffentlichen Veranstaltungen störend. Der Nachteilsausgleich „RF” solle zugestanden werden.

Dem ist der Beklagte unter Vorlage von versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Drs. H. und K. entgegengetreten. Darin heißt es, der Reizhusten der Klägerin müsse hno-fachärztlich abgeklärt werden, insbesondere im Hinblick auf die Therapiefähigkeit.

Durch Urteil vom 12.5.1987 hat das Sozialgericht Mainz den Bescheid des Beklagten vom 14.5.1985 abgeändert und einen Gesamt-GdB von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „B” festgestellt. Gleichzeitig hat es jedoch die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „RF” verneint und insoweit die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei Veranstaltungen im Freien sowie in der warmen Jahreszeit seien keine gravierenden Beeinträchtigungen der Klägerin durch den Husten zu erwarten.

Gegen dieses ihr am 5.6.1987 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. des gleichen Monats Berufung eingelegt.

Sie macht geltend, die Hustenattacken träten regelmäßig und nicht vorhersehbar auf, und zwar nicht nur bei Temperaturwechsel.

Die ordnungsgemäß zum Termin geladene, im Termin weder anwesende noch vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 12.5.1987 sowie den Bescheid vom 14.5.1985 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs „RF” festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Klägerin könne trotz der Hustenanfälle noch an einer nennenswerten Anzahl öffentlicher Veranstaltungen teilnehmen. Dabei bezieht er sich auf die vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. Kl. vom 25.2.1988. Darin heißt es, durch die Hustenattacken unterdrückende Medikamente sei es der Klägerin möglich, zumindest an kurzen öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Der Senat hat den Hausarzt der Klägerin von Webel um Stellungnahmen gebeten. Dieser hat im wesentlichen mitgeteilt, die Hustenattacken, die er selbst schon erlebt habe, dauerten etwa 5 bis 10 Minuten. Sie seien unkontrollierbar und träten unregelmäßig sowohl im Freien als auch – insbesondere – in geschlossenen Räumen auf. Sie seien störend und unzumutbar für die Umwelt. Mit milden Medikamenten könne der Husten für ca 30 Minuten unterdrückt werden. Stärkere Medikamente, insbesondere Hustenblocker, seien wegen der bestehenden chronischen Bronchitis mi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge