Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. echter Grenzgänger. Nichtberücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Unfalltaggeld bzw Verletztentaggeld aus der Schweiz. keine vergleichbare Leistung zum Verletztengeld oder Krankengeld im deutschen Recht. keine analoge Anwendung der erweiterten Rahmenfrist des § 143 Abs 3 SGB 3. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 11 AL 20/17 R
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der Anwartschaftszeit eines echten Grenzgängers werden Zeiten des Bezugs von Unfalltaggeld, welches außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses von dem Träger der schweizerischen Unfallversicherung gezahlt wird und nicht der Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliegt, nicht berücksichtigt.
2. Die Regelung der erweiterten Rahmenfrist des § 143 Abs 3 SGB 3 kann in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke keine analoge Anwendung finden.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 11.02.2015 - S 1 AL 121/14 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 01.05.2013.
Der 1958 geborene Kläger ist gelernter Schreiner. Seit 2007 ist er - mit Unterbrechungen - zumeist in der Schweiz als Arbeitnehmer verschiedener Zeitarbeitsfirmen auf Montage beschäftigt gewesen. Während seiner Beschäftigung in der Schweiz kehrte er nach seinen Angaben im Zusatzblatt “Prüfung Grenzgänger-Eigenschaft„ vom 07.05.2013 regelmäßig am Freitag an seinen Wohnsitz in Deutschland, N, zurück und fuhr sonntags wieder in die Schweiz. Zudem verbrachte er seinen Urlaub zumeist an seinem Wohnsitz in Deutschland. Im Beschäftigungsland wohnte er im Hotel. Ihm waren als Wochenaufhalter Bewilligungen zur Verwendung eines unverzollten Fahrzeugs - zuletzt am 11.01.2010 mit Verfallsdatum 31.08.2012 - erteilt worden.
Der Kläger schloss zuletzt am 03.11.2011 mit der S L P AG (nachfolgend der Arbeitgeber) einen Einsatzvertrag gemäß Art 19 des schweizerischen Bundesgesetzes über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG)) und Art 319 des schweizerischen Bundesgesetzes betreffend die Ergänzungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationsrecht (OR)) mit Einsatzbeginn 07.11.2011 und vorgesehener Einsatzdauer von maximal drei Monaten als Fenstermonteur bei der Einsatzfirma H Fenster AG. Unter Bemerkungen ist ua festgehalten: “Der erste Tag ist ein Probetag (keine Kündigungsfrist)„. Im Nachgang ist ua ausgeführt: “Der Einsatzbetrieb untersteht keinem allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag. Der Einsatz beginnt am oben aufgeführten Datum und endet ohne Kündigung mit Erreichen des Enddatums, spätestens aber drei Monate nach Einsatzbeginn. Während dieser Zeit kann der Einsatzvertrag von beiden Parteien jederzeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Arbeitstagen gekündigt werden.„. Gleichfalls unterzeichnete der Kläger am 03.11.2011 den Rahmenvertrag für temporäre Mitarbeiter (TMA) des Arbeitgebers (Ausgabe 2011). Unter Ziffer 8. Lohnausfallentschädigung bei Verhinderung an der Arbeitsleistung, lit b) Unfall (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, kurz Suva) ist ausgeführt: “Der TMA ist während des Einsatzes bei der Suva gegen Betriebsunfall versichert. … Nichtbetriebsunfälle werden gemäß den Bestimmungen der Suva gedeckt, wenn die wöchentliche Arbeitszeit mindestens acht Stunden beträgt. Die Wartefrist beträgt drei Tage, der Unfalltag inbegriffen. Ab dem Zeitpunkt der Anerkennung des Unfalls durch die Suva übernimmt der Arbeitgeber in Anwendung von Art 324b Abs 3 OR den Lohn während der Wartefrist. Die Leistungen betragen 80 % des Gehalts. Die Leistungen der Suva ersetzten die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gemäß Art 324/1 OR. …„.„
Während seines Einsatzes für den Arbeitgeber hat der Kläger am 12.12.2011 auf der Baustelle der Einsatzfirma einen Arbeitsunfall erlitten. Er war mit gestrecktem Bein links ausgerutscht und hatte sich dabei das linke Knie verdreht. In der Folge hat der Kläger gegen den Arbeitgeber verschiedene Forderungen geltend gemacht (vgl Bl 192 dGA) und mangels Erfüllung derselben die Schlichtungsstelle für Arbeitsverhältnisse S.-G. angerufen. Im Rahmen des Schlichtungsversuchs einigten sich die Beteiligten - zur Abgeltung aller gegenseitigen Forderungen - auf die Zahlung von insgesamt 700,00 € an den Kläger (vgl Verhandlungsprotokoll A52/12, Bl 192 f dGA).
Die Suva hat aufgrund dieses Arbeitsunfalls sowie eines weiteren (Nichtarbeits-)Unfalls in der Zeit vom 15.12.2011 bis zum 30.04.2013 Unfalltaggeld gezahlt. In der Zeit vom 27.06.2012 bis zum 31.07.2012 hat der Kläger sich in der Rehaklinik B, Schweiz, aufgehalten. Nach dem von dem Kläger vorgelegten Schriftstück der Rehaklinik B zielte die Rehabilitation a...