Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Übernahme ungedeckter Heimkosten. Umfang der Zahlungspflicht eines Sozialhilfeträgers gegenüber einer Pflegeeinrichtung nach dem Tod des Hilfeempfängers. Aufrechnung und Verjährung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Träger einer stationären Pflegeeinrichtung kann gegen den Sozialhilfeträger aus dem im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis erfolgten Schuldbeitritt die Zahlung eines Heimentgelts nur in Höhe der dem Sozialhilfeempfänger bewilligten Leistungen beanspruchen (Anschluss an BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R = BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9).
2. Die Aufrechnung mit einer im Leistungsverschaffungsverhältnis zwischen der Pflegeeinrichtung und dem Sozialhilfeträger entstandenen Überzahlung ist bei einer "schlichten" Zuvielzahlung möglich. Sofern vom Sozialhilfeträger Änderungen des Leistungsanspruchs des Sozialhilfeempfängers geltend gemacht werden, hat eine Rückabwicklung in diesem Grundverhältnis gem §§ 45, 48 SGB 10 zu erfolgen.
3. Ansprüche von Trägern einer stationären Pflegeeinrichtung gegen Sozialhilfeträger für die stationäre Heimunterbringung von Sozialhilfeempfängern unterliegen einer vierjährigen Verjährungsfrist.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28.10.2008 - S 5 SO 114/05 - abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.478,79 € nebst Zinsen ab dem 30.11.2005 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat der Klägerin 85 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung weiterer Heimkosten für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.09.2001.
Die Klägerin ist seit 01.03.2000 Träger der Pflegeeinrichtung P Residenz L (Pflegeheim) und Rechtsnachfolgerin der P Gesundheitsdienste gGmbH. Bis 29.02.2000 war die Seniorenzentrum B gGmbH Träger des Pflegeheims. Die Pflegeeinrichtung ist zur Erbringung von stationären Pflegeleistungen gemäß § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zugelassen.
Die 1911 geborene und am 03.03.2004 verstorbene F B (Hilfeempfängerin) war verwitwet und bezog eine Altersrente (ab 01.07.2000 monatlich 460,15 DM (235,27 €) zzgl. von 97,20 DM Leistung für Kindererziehung; ab 01.07.2001 468,97 DM (239,78 €) zzgl. von 99,02 DM Leistung für Kindererziehung) sowie eine Witwenrente (ab 01.07.2000: 215,75 DM ≪ 110,31 €≫ und ab 01.07.2001 219,89 DM ≪112,43 €≫). Über weiteres Einkommen oder über Vermögen verfügte sie im hier streitigen Zeitraum nicht. Ihre beiden Söhne sowie die Enkel haben das Erbe ausgeschlagen; sonstige Erben sind nach Mitteilung des Amtgerichts L nicht bekannt. Die Hilfeempfängerin war bei der Pflegekasse der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) pflegeversichert und erhielt ab dem 01.10.1999 Leistungen der vollstationären Pflege nach Pflegestufe I und ab 01.11.2000 (Bescheid der DAK vom 07.03.2001, bei dem Beklagten am 25.04.2001 eingegangen) nach der Pflegestufe II.
Sie lebte seit April 1998 im Wohnbereich des Pflegeheims und wurde seit April 1999 im Pflegebereich gepflegt. Nach dem mit dem Pflegeheim am 14.05.1999 abgeschlossenen Heimvertrag war sie verpflichtet, einen täglichen Pflegesatz je nach Pflegestufe, ein Entgelt für Unterkunft und Verpflegung sowie Entgelte für Investitionsaufwendungen zu zahlen. Die Höhe der Entgelte richtete sich nach den Regelungen, die zwischen den Heimträgerverbänden und den öffentlich-rechtlichen Leistungs- und Kostenträgern jeweils vereinbart waren. Ab 01.01.2001 betrugen der Pflegesatz nach Pflegestufe I täglich 67,25 DM (34,38 €), nach Pflegestufe II 87,43 DM (44,70 €), das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung 35,14 DM (17,97 €), die Investitionskosten 43,82 DM (22,40 €) und der Betrag für Ausbildungsvergütung 0,84 DM (0,43 €). Ab 01.09.2001 erhöhten sich die täglichen Heimentgelte für den Pflegesatz nach Pflegestufe II auf 88,90 DM (45,45 €) und für Unterkunft und Verpflegung auf 35,73 DM (18,27 €). Nach dem Heimvertrag wurde die Stufe der Pflegebedürftigkeit - soweit nicht der medizinische Dienst zuständig ist - auf der Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses festgestellt. Bei einem Wechsel in der Stufe der Pflegebedürftigkeit infolge eines verbesserten oder verschlechterten Pflege- und Gesundheitszustandes galt der ermäßigte oder erhöhte Entgeltsatz. Die Heimentgelte waren jeweils im voraus am Ersten des Monats fällig.
Das Pflegeheim berechnete der Hilfeempfängerin für April 2001 einen Pflegesatz von 24 x 34,38 € (Pflegestufe I) und 6 x 44,70 € (Pflegestufe II) sowie 30 x Kosten für Unterkunft und Verpflegung (täglich 17,97 €), Investitionskosten (täglich 22,40 €) und Kosten der Ausbildungsvergütung (täglich 0,43 €) in Höhe von insgesamt 2.317,34 €, für Mai 2001 von 2.650,61 €, für Juni 2001 von 2.565,09 €, für Juli und August 2001 von jeweils 2.650,61 € sowie für September 2001 von 2.596,69 €.
Der Beklagte gewährte der Hilf...