Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Auskunftsverlangen gegenüber dem Ehegatten eines potenziell Unterhaltspflichtigen. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Das Auskunftsverlangen des Sozialhilfeträgers gegenüber einem Schwiegerkind eines Hilfeempfängers verstößt nicht gegen Art 3 oder 6 GG.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.05.2015 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsverlangens.
Der Kläger ist der Schwiegersohn der am … 1927 geborenen und am 29.03.2014 verstorbenen O M (im Folgenden: Hilfeempfängerin). Die Beklagte gewährte dieser vom 19.05.2013 bis zu ihrem Tod Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form der Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten für ihre stationäre Unterbringung im Alten- und Pflegeheim S J in P. Mit Rechtswahrungsanzeige vom 08.08.2013 forderte die Beklagte die Ehefrau des Klägers zum Zwecke der Prüfung bestehender Unterhaltsansprüche auf, Auskünfte über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Zugleich bat die Beklagte darum, auch Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihres Ehemannes, des Klägers, zu geben. Gegen diesen Bescheid hat die Ehefrau des Klägers nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage zum Sozialgericht Koblenz erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 11 SO 213/14 anhängig ist.
Mit Bescheid vom 19.05.2014 forderte die Beklagte den Kläger auf, über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen, damit festgestellt werden könne, ob und in welchem Umfang sich seine eigene finanzielle Situation auf die Unterhaltsverpflichtungen seiner Ehefrau gegenüber der Hilfeempfängerin auswirke. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2014 zurück. Zur Begründung war angegeben, die Ehefrau des Klägers sei als Tochter der Hilfeempfängerin eine Verwandte in gerader Linie und damit dieser gegenüber nach §§ 1601 ff. BGB grundsätzlich zum Unterhalt verpflichtet. Diese bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüche der Hilfeempfängerin gegenüber der Ehefrau des Klägers seien gemäß § 94 SGB XII auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen. Dieser habe die Möglichkeit, Unterhaltsansprüche der Hilfeempfängerin geltend zu machen. Zur Realisierung dieser Möglichkeit sei sowohl eine Auskunft der Ehefrau des Klägers über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse als auch eine des Klägers selbst über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich. Es genüge die Möglichkeit, dass ein Unterhaltsanspruch bestehen könne und nicht im Sinne einer negativen Evidenz offensichtlich ausscheide. Vorliegend sei nicht offensichtlich, dass ein Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit der Ehefrau des Klägers nicht bestehe. Dies gelte selbst dann, wenn deren Einkommen unter dem ihr zustehenden Selbstbehalt liegen sollte. In diesem Zusammenhang seien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers von Bedeutung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) müsse nämlich ein verheiratetes Kind zur Erfüllung der seinen Eltern gegenüber bestehenden Unterhaltspflichten auch das unterhalb seines Eigenbedarfs liegende Einkommen einsetzen, soweit es wegen des vom Ehepartner erzielten Verdienstes für den gemeinsamen Familienunterhalt nicht benötigt werde (Hinweis auf BGH 14.01.2004 - XII ZR 69/01); auch ein Taschengeld, dass dem unterhaltspflichtigen Kind und seinem Ehegatten zu zahlen sei, müsse gegebenenfalls für den Elternunterhalt eingesetzt werden (Hinweis auf BGH 15.10.2003 - XII ZR 122/00).
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 05.09.2014 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 06.10.2014 (Montag) Klage zum Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, warum er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgeben solle. Er sei erkennbar nicht persönlich betroffen, da er selbst keinen Anspruch auf Sozialhilfe für sich und seine Ehefrau gestellt habe. Eine Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des nicht getrennt lebenden Ehegatten sei auch nach Artikel 6 und 3 Grundgesetz (GG) rechtswidrig, da hierdurch eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung verheirateter Unterhaltsschuldner im Vergleich zu nicht verheirateten oder getrennt lebenden Unterhaltsschuldnern begründet werde.
Durch Urteil vom 28.05.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Bescheid vom 19.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2014 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei § 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen im Falle des Klägers vor, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbesch...