Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach ergangenem Gerichtsbescheid - Selbstentscheidung des abgelehnten Richters bei rechtsmissbräuchlichem Ablehnungsgesuch - Unzulässigkeit der Klage bei doppelter Rechtshängigkeit

 

Orientierungssatz

1. Nach § 105 Abs. 3 HS. 2 SGG gilt ein Gerichtsbescheid als nicht ergangen, wenn rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt wird. Diese kann nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGG nur beantragt werden, wenn die Berufung nicht gegeben ist. Übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 750.- €., so ist demnach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgeschlossen.

2. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG lässt bei einem gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuch eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters zu. Dieses steht einer Entscheidung der Hauptsache durch den abgelehnten Richter nicht entgegen.

3. Ist in einem vom Kläger gleichzeitig anhängigen weiteren Klageverfahren der von ihm gestellte Antrag auf dasselbe Ziel gerichtet und betrifft er denselben Sachverhalt, so steht der Zulässigkeit der erhobenen Klage der Einwand doppelter Rechtshängigkeit entgegen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.08.2018; Aktenzeichen B 8 SO 48/18 B)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz vom 19.10.2017 wird zurückgewiesen. Die Klage wird im Klageantrag zu II) abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) seit April 2011 (Kläger) bzw. April 2012 (Klägerin) nebst Zinsen und die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen und Rundfunkgebühren.

Die am ... ... . ... 1947 geborene Klägerin und der am ... . ... .1946 geborene Kläger sind verheiratet. Beide sind in der Slowakei geboren und deutsche Staatsangehörige. Das Jobcenter W ... ... gewährte dem Kläger bis zum 05.04.2011 und der Klägerin bis zum 15.04.2012 (jeweils bis zum Eintritt des Rentenalters) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Am 03.04.2012 (Schreiben vom 26.02.2012) beantragten die Kläger (im Folgenden auch: die Eheleute) bei dem Beklagten, in dessen Zuständigkeitsbezirk sie damals lebten, die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger nahm diesen Grundsicherungsantrag am 12.05.2012 wieder zurück und stellte unter anderem am 07.12.2012 einen neuen Grundsicherungsantrag. Mit Bescheiden vom 23.07.2012 und vom 11.04.2013, welche an beide Eheleute gerichtet waren, versagte der Beklagte Grundsicherungsleistungen jeweils wegen fehlender Mitwirkung. Gegen beide Bescheide erhoben die Eheleute nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klagen zum Sozialgericht (SG) Koblenz (- S 12 SO 35/13 und S 12 SO 141/13 -). Die Bescheide wurden im Juni 2014 durch das SG Koblenz (Bescheid vom 23.07.2012) und den Beklagten selbst (Bescheid vom 11.04.2013) aufgehoben. In der Zwischenzeit hatten die Eheleute wiederholt, teilweise monatlich, weitere Anträge auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen gestellt und führten zahlreiche sozialgerichtliche Verfahren. Vom 12.03.2013 bis zum 31.10.2013 gewährte der Beklagte den Eheleuten aufgrund von Beschlüssen des SG Koblenz vom 17.04.2013 (- S 16 SO 38/13 ER -) und 26.08.2013 (- S 16 SO 126/13 ER -) vorläufig Grundsicherungsleistungen. Auf die Beschwerde des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Beschlüsse auf und lehnte die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ab, weil die Hilfebedürftigkeit der Eheleute nicht glaubhaft gemacht sei (Beschluss vom 27.09.2013 - L 1 SO 37/13 B ER -).

Im Nachgang hierzu lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 26.03.2012 mit nur an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 18.07.2014 ab, weil die Klägerin ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe. Der Widerspruch beider Eheleute wurde durch Widerspruchsbescheid vom 26.09.2014 zurückgewiesen (W.-Nr. 149/14). Dagegen erhoben die Eheleute Klage beim SG Koblenz (-S 16 SO 225/14 bzw. S 16 SO 131/16 -). Der Rechtsstreit wurde nach § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beendet (vgl. Gerichtsbescheid des SG Koblenz vom 24.05.2017 - S 16 SO 131/16 - und Urteil des Senats vom 27.09.2017 - L 4 SO 95/17 - ≪rechtskräftig≫).

Des Weiteren lehnte der Beklagte die Anträge der Eheleute mit Bescheid vom 21.07.2014 ab, weil die Eheleute ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen hätten. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 26.09.2014 (W.-Nr. 150/14) zurückgewiesen. Dagegen erhoben die Eheleute Klage beim SG Koblenz (- S 16 SO 226/14 bzw. S 16 SO 136/16 -). Der Rechtsstreit wurde nach § 102 Abs. 2 SGG beendet (vgl. Gerichtsbescheid des SG Koblenz vom 24.05.2017 - S 16 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge