Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Gerichtsverfahren. unverzügliche Verzögerungsrüge in Altfällen

 

Orientierungssatz

Für die unverzügliche Erhebung einer Verzögerungsrüge nach Art 23 S 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (juris: ÜberlVfRSchG) ist es ausreichend, wenn die Rüge spätestens drei Monate nach dessen Inkrafttreten erfolgt ist (vgl BSG vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R = SozR 4-1720 § 198 Nr 5).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.10.2015; Aktenzeichen B 10 ÜG 13/15 B)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 6.500,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens gemäß § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).

Die im Jahre 1977 geborene Klägerin, die in der Krankenversicherung der Rentner versichert ist, leidet an der autosomal-rezessiven erblichen Erkrankung “Ataxia teleangiectatica „ (Louis-Bar-Syndrom).

Am 20.12.2007 erhob die Klägerin - damals vertreten durch ihren Vater - Klage zum Sozialgericht (SG) Speyer und beantragte zudem vorläufigen Rechtsschutz. Sie stellte dabei folgende Anträge:

1. Die A -Krankenkasse wird verpflichtet, unverzüglich den Antrag vom 02.11.2007 (persönliches Budget) mit Ergänzungen vom 03.12.2007 unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide und Widerspruchsbescheide in gesetzeskonformer Weise zu bescheiden und die beantragte Hilfe zu gewähren.

2. Die A -Krankenkasse wird verpflichtet, unverzüglich den Antrag vom 15.08.2007 (Rollstuhl, an die Stadtverwaltung, von dort weitergeleitet am 16.08.2007) mit Ergänzungen vom 16.09.2007, 09.10.2007 und 24.10.2007 unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide und Widerspruchsbescheide in gesetzeskonformer Weise zu bescheiden und die beantragte Hilfe zu gewähren.

Der Eilantrag der Klägerin hatte keinen Erfolg (Beschluss des SG vom 03.01.2008 - S 13 ER 612/07 KR; Beschluss des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland- Pfalz vom 14.02.2008 - L 5 ER 11/08 KR).

Das Klageverfahren nahm daraufhin im Wesentlichen - folgenden Verlauf (die Daten geben den Eingang bzw. den Tag der Bearbeitung beim SG an):

- 28.03.2008 Anforderung der Verfahrensakten S 13 KR 572/07 und S 13 KR 443/07 durch das SG.

- 31.03.2008 Eingang der angeforderten Akten bei der zuständigen Kammer.

- 08.04.2008 Rücksendung der Akten.

- 30.04.2008 Verfügung des Gerichts: Wiedervorlage am 30.05.2008.

- 04.06.2008 Verfügung des Gerichts: Akte S 13 ER 612/07 KR beiziehen.

- 06.06.2008 Vermerk des SG: Die Akte S 13 ER 612/07 KR ist zum Verfahren S 13 ER 286/08 KR beigezogen, das derzeit noch läuft und dessen Ergebnis abgewartet werden soll. Wiedervorlage: 20.08.2008.

- 20.08.2008 Verfügungen des Gerichts: Akten der ER-Verfahren beiziehen, Wiedervorlage 29.09.2008.

- 20.09.2008 Verfügung des Gerichts: Wiedervorlage 04.11.2008.

- 10.10.2008 Verfügung des Gerichts: Wiedervorlage 29.12.2008.

- 02.09.2009 Hinweis des Gerichts, dass eine Entscheidung gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Es bestehe Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme bis 13.10.2009.

- 09.09.2009 Hinweis der Klägerin: Ein Verfahren, das bei Gericht fast zwei Jahre liege, müsse besondere Schwierigkeiten aufweisen. Sie widerspreche einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

- 30.09.2009 Übersendung zahlreicher Gutachten und ärztlicher Unterlagen durch die Klägerin mit der Bitte um Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren.

- 01.10.2009 Verfügungen des Gerichts: Durchschrift der Unterlagen an Beklagte, Wiedervorlage sodann.

- 02.10.2009 Schreiben der A , dass Einverständnis mit einer Entscheidung gem. § 105 Abs. 1 SGG bestehe. Hinweis der A , dass zum Klagepunkt 1 bis zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid erlassen worden sei. Den Klagepunkt 2 habe der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 07.01.2008 zurückgenommen.

- 27.10.2009 Schreiben der Klägerin, dass die Nichterteilung eines Bescheides einen vorsätzlichen Rechtsbruch darstelle.

- 27.10.2009 Verfügung des Gerichts: Wiederlage 11.12.2009.

- 27.10.2009 Übersendung weiterer umfangreicher ärztlicher Unterlagen durch die Klägerin.

- 18.11.2009 Verfügung des Gerichts: Durchschrift an Beklagte zur Kenntnis, mit dem Hinweis, dass die Unterlagen zu allen Verfahren genommen werden.

- 14.12.2009 Verfügung des Gerichts: Wiedervorlage 18.01.2010 (Gerichtsbescheid).

- 25.01.2010 Schreiben der A : Im hiesigen Verfahren bestreite die Beklagte die Prozessfähigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin und verweise in diesem Zusammenhang auf das dem Gericht im Verfahren S 13 KR 340/09 eingereichte fachpsychiatrische  Gutachten   von   Prof.   Dr.   Dr. J R vom 30.10.2009.

- 28.01.2010 Verfügung des Gerichts: Wiedervorlage 01.03.2010.

- 02.02.2010 Schreiben der Klägerin mit dem Antrag auf Gewährung von Pr...

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