Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. kein Anspruch auf Kurzzeitpflege im Rahmen des häuslichen Umfelds
Orientierungssatz
§ 42 Abs 3 SGB 11 erfasst nur die Kurzzeitpflege in vollstationären Einrichtungen. Ein Anspruch auf Kurzzeitpflege im Rahmen des häuslichen Umfelds besteht nicht (hier: krankheitsbedingt nicht mögliche Unterbringung in vollstationärer Einrichtung).
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.11.2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Kurzzeitpflege nach § 42 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) im Rahmen des häuslichen Wohnumfeldes.
Der 2003 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er leidet an einem Down-Syndrom sowie einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung mit Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Autismus. Er bezieht von der Beklagten Leistungen nach Pflegestufe III sowie zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI und Leistungen der häuslichen Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson gemäß § 39 SGB XI.
Eine Kurzzeitpflege des Klägers in der Einrichtung K in K , die auf behinderte Kinder spezialisiert ist, musste nach einem Tag wegen der Verhaltungsstörungen des Klägers abgebrochen werden.
Auch eine Kur seiner Mutter, bei welcher der Kläger sie begleitete, musste nach 1 1/2 Wochen aufgrund der Verhaltensauffälligkeiten des Klägers beendet werden.
Mit Schreiben vom 13.11.2011 beantragte der Kläger die Umwandlung der Leistungen für stationäre Kurzzeitpflege in Leistungen für ambulante Verhinderungspflege. Zur Begründung gab er an, die gewährten Leistungen nach § 39 SGB XI seien nicht ausreichend, um eine angemessene Entlastung der Familie zu erreichen. Die gewährten Leistungen nach § 39 SGB XI seien nicht angemessen, um es den Pflegepersonen zu ermöglichen, auch mal ein Wochenende auswärts verbringen zu können, damit neue Kraft für den Alltag gesammelt werden könne.
Mit Bescheid vom 22.03.2012 lehnte die Beklagte eine Umwandlung der Leistungen der Kurzzeitpflege in Verhinderungspflege im häuslichen Bereich ab. Kurzzeitpflege i. S. d. § 42 SGB XI könne nur gewährt werden, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden könne. Der Anspruch bestehe aber grundsätzlich nur in einer vollstationären Einrichtung. Eine Umwandlung in Leistungen der Verhinderungspflege im häuslichen Bereich sei deshalb nicht möglich.
Die Betreuung im häuslichen Bereich könne über die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI abgegolten werden, sofern sie durch einen zugelassenen Pflegedienst erbracht würden oder es sich um ein nach Landesrecht anerkanntes Betreuungsangebot handele. Im Falle des Klägers bestehe der Anspruch auf bis zu 200,00 € monatlich.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Unterbringung in einer stationären Einrichtung führe zu einer erheblich traumatisch belastenden Situation. Nur im häuslichen Umfeld sei es ohne Schwierigkeiten möglich, ihn durch eine vertraute Verhinderungspflegekraft zu betreuen. Nur bei einer Betreuung im häuslichen Umfeld bestehe für die Eltern die Möglichkeit, eine Art Erholungsurlaub außer Haus zu verbringen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Umwandlung der Leistungen der Kurzzeitpflege in Verhinderungspflege im häuslichen Bereich sei leider nicht möglich.
Dagegen hat der Kläger am 26.06.2012 Klage erhoben.
Er hat vorgetragen:
Nur bei einer Betreuung im häuslichen Bereich könne eine massive Verschlimmerung seiner Gesundheitsstörungen verhindert werden. Zudem gelte der Grundsatz "ambulant vor stationär". Insoweit müsse es möglich sein, auch eine weitergehende häusliche Pflege über die Leistungen nach § 39 SGB XI zu ermöglichen.
Durch Urteil vom 15.11.2012 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI im Rahmen des häuslichen Wohnumfeldes bei mehrtägiger Verhinderung der Pflegeperson längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu gewähren.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger habe vorliegend einen Anspruch auf Kurzzeitpflege im häuslichen Wohnumfeld gegen die Beklagte.
Grundsätzlich bestehe nach § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ein Anspruch auf Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung, wenn die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden könne und auch teilstationäre Pflege nicht ausreiche. Abweichend von Abs. 1 bestehe nach § 42 Abs. 3 SGB XI der Anspruch auf Kurzzeitpflege in begründeten Einzelfällen bei zu Hause gepflegten Kindern bis...