Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundeserziehungsgeld. Leistungsausschluss. Beamter der Europäischen Union und dessen Familienangehörige. Wohnsitz im Inland
Orientierungssatz
1. Aufgrund der Verordnung über die Gewährung diplomatischer Vorrechte und Immunitäten im Bereich der Sozialen Sicherheit an durch zwischenstaatliche Organisationen geschaffenen Organisationen (SozSichVorRV) vom 5.8.1985 (BGBl II, 1985, 961) sind im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte Beamte der Europäischen Union (EU) und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen vom Bezug des Erziehungsgeldes nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) ausgeschlossen. Zwar ist in § 1 Abs 1 der Verordnung vom 5.8.1985 das Erziehungsgeld nicht ausdrücklich genannt, jedoch ist im Wege der analogen Lückenfüllung auch diese Sozialleistung als von der Verordnung umfasst anzusehen. Nichts anderes gilt für diejenigen Beamten der EU und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen, die ihren Wohnsitz im Inland, ihren Arbeitsplatz jedoch im Ausland haben.
2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Ehegatte eines Beamten in einem Mitgliedstaat eine unselbständige Tätigkeit ausübt oder vor der Inanspruchnahme der Leistung ausgeübt hat (vgl EuGH vom 7.5.1987 - C-189/85 = SozR 5870 § 8 Nr 13).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Erziehungsgeld.
Die ... 1963 geborene deutsche Klägerin ist mit dem ... 1962 geborenen ... W, der ebenfalls deutscher Staatsangehöriger ist, verheiratet. Aus der Ehe ist das ... 1999 geborene Kind M hervorgegangen. Der Ehemann der Klägerin ist seit 1994 als Beamter bei der Europäischen Kommission in Luxemburg beschäftigt. Sein Gehalt setzte sich im April 1999 gemäß einer Bescheinigung der Europäischen Kommission vom 5.5.1999 zusammen aus einem Grundgehalt, einer Haushaltszulage, einer Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder sowie einer Auslandszulage. Das Nettogehalt betrug 3.537,09 EUR.
Im Mai 1999 beantragte die Klägerin, die vor der Geburt des Kindes M keiner Berufstätigkeit nachging, die Gewährung von Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes M. Mit Bescheid vom 18.6.1999 lehnte die Kreisverwaltung Trier-Saarburg die Gewährung von Erziehungsgeld ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaft unterlägen einem Sondersystem der sozialen Sicherung. Ein Anspruch nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) alleine aufgrund des bestehenden Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland sei wegen des arbeitsrechtlichen Status des Ehegatten der Klägerin nicht gegeben.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des beklagten Landes vom 5.8.1999 zurückgewiesen.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Trier (SG) mit Urteil vom 12.11.2001 stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin Erziehungsgeld für das Kind M gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei dem Grunde nach zur Zahlung von Erziehungsgeld für das Kind M verpflichtet. Dem stehe nicht entgegen, dass der Klägerin oder ihrem Ehemann möglicherweise vorrangig ein Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einem Sondersystem der sozialen Sicherheit für EU-Beamte zustehe. Nach § 8 Abs 3 BErzGG werde Erziehungsgeld zwar nicht gezahlt, wenn Leistungen außerhalb des Geltungsbereiches des BErzGG in Anspruch genommen würden und diese dem Erziehungsgeld oder dem Mutterschaftsgeld vergleichbar seien. Dies setze jedoch voraus, dass die Betroffenen diese Leistungen tatsächlich erhalten hätten. Der Beklagte könne sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, dass möglicherweise ein anderer, ausländischer Leistungsträger zur Zahlung verpflichtet sei oder verpflichtet werden könne.
Gegen das ihm am 28.11.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21.12.2001 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, das SG habe § 8 Abs 3 BErzGG fehlerhaft ausgelegt. Grundsätzlich sei in Fällen mit Auslandsbezug zu prüfen, ob gegebenenfalls neben dem Anspruch auf Erziehungsgeld auch ein Anspruch auf eine vergleichbare ausländische Leistung bestehe. Sei dies der Fall, räume § 8 Abs 3 ErzGG dem Anspruchsberechtigten ein entsprechendes Wahlrecht ein. Eine solche Regelung des innerstaatlichen Gesetzgebers sei dahingehend zu überprüfen, ob sie dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nicht widerspreche. Die Verordnungen der EU enthielten eigene Kumulierungs- und Konkurrenzregelungen, die gegenüber § 8 Abs 3 BErzGG vorrangig seien. Somit sei im vorliegenden Fall § 8 Abs 3 BErzGG nicht anzuwenden, da diese Vorschrift nachrangig sei. Aus Art 13 und Art 15 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaft vom 8.4.1965 gehe hervor, dass für Beamte und sonstige Bedienstete der Gemeinschaften vereinbart sei, dass sie generell einem Sondersystem der sozialen Sicherung unterlägen mit der...