Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 29.05.1990; Aktenzeichen S 6 U 314/89) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 29.5.1990 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 26.10.1989 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin wegen des Todes ihres Ehemannes eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente.
Die Klägerin ist die Witwe des 1922 geborenen G. B. (B). Bei diesem bestanden Folgen einer Hirnverletzung aus dem 2. Weltkrieg, für die ihm das zuständige Versorgungsamt eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 % zahlte.
B war beruflich als Schlosser tätig. Am 16.2.1972 erlitt er einen schweren Unfall, als er von einem Förderband mitgerissen und mit seinem Körper zwischen dem Band und der Auslaufschurre der Bandanlage eingeklemmt wurde. Hierdurch entstanden neben Rippenbrüchen, Hautabschürfungen und Prellungen eine schwere Hirnquetschung und eine Luxationsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers mit Querschnittssyndrom. Es verblieb eine Lähmung der unteren Extremitäten bei Blasen- und Mastdarminsuffizienz.
Durch Bescheid vom 27.10.1972 stellte die Beklagte als Unfallfolgen „unter Gibbusbildung knöchern fest verheilter Verrenkungsbruch des 1. Lendenwirbelkörpers mit substantieller Rückenmarksschädigung und schlaffer Lähmung der unteren Extremitäten, Harnblasen- und Mastdarmlähmung; knöchern fest verheilte Brüche der 6. und 7. Rippe links” fest und bewilligte B eine Dauerrente nach einer MdE von 100 % sowie ein Pflegegeld.
In der Folgezeit wurde B wiederholt in der Berufsgenossenschaftlichen Sonderstation für Schwerunfallverletzte am Krankenhaus Ev. Stift St. M. in K. stationär behandelt. Neben chronischen Harnwegsinfektionen standen dabei heftige Beschwerden im Bereich des linken Oberschenkels im Vordergrund, deren diagnostische Zuordnung zu Lebzeiten von B nicht eindeutig geklärt werden konnte; als Ursache wurde zum Teil ein sogenanntes Morbus-Paget-Leiden vermutet.
Letztmals befand sich B wegen massiver Beschwerden in der linken Leistengegend und am linken Oberschenkel in der Zeit vom 11. bis 23.12.1988 in stationärer Behandlung. Er verstarb am … 1988, kurz nachdem er wegen der Weihnachtsfeiertage nach Hause entlassen worden war. Dr. L. von der Berufsgenossenschaftlichen Sonderstation für Schwerunfallverletzte am Krankenhaus Ev. Stift St. M. in K. führte in seinem Arztschreiben vom 26.12.1988 an, ohne Kenntnis der genauen Todesursache könne im Hinblick auf das ständige Auftreten von Komplikationen bei bestehender Querschnittslähmung angenommen werden, daß B ohne die Unfallfolgen sicher noch ein Jahr länger gelebt haben könne.
Die Leiche von B wurde von Privatdozent Dr. K. vom Pathologischen Institut K. obduziert. Als Todesursache stellte dieser eine akute Coronarinsuffizienz fest. Prof. Dr. G. vom Institut für Neuropathologie der Universität M. verneinte in seinem Gutachten vom 3.8.1989, das nach einer makroskopischen und mikroskopischen Untersuchung des Zentralnervensystems von B verfaßt wurde, eine Hirnblutung oder einen frischen Hirninfarkt als Ursache des plötzlichen Todes von B. Als dessen Ursache gab er die bestehende – nach seiner Ansicht unfallunabhängige – Coronarsklerose an. Er legte dar, die Querschnittslähmung habe weder zur Entstehung noch zu einer Verschlimmerung des Bluthochdrucks bei B geführt. Privatdozent Dr. K. gelangte in seinem Gutachten vom 16.10.1989 zu dem Ergebnis, die Arteriosklerose müsse als Folge des Bluthochdruckleidens des B gewertet werden, wie es bereits 1972 aktenkundig geworden sei; nebenbefundlich habe die Obduktion die Diagnose einer Morbus-Paget-Erkrankung des linken Oberschenkelknochens ergeben.
Durch Bescheid vom 26.10.1989 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine einmalige Witwenbeihilfe, lehnte jedoch die Zahlung einer Hinterbliebenenrente ab, weil der Tod von B nicht Folge seines Arbeitsunfalls gewesen sei.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Die zum Tode führende Coronarsklerose sei nach ihrer Auffassung auf den wegen der unerträglichen unfallbedingten Schmerzen erfolgten Konsum von Tabletten durch B sowie dessen Depressionen und Bewegungsmangel zurückzuführen. Als Ursache des Herzversagens komme außerdem der während des letzten stationären Aufenthalts verordnete totale Medikamentenstop in Betracht.
Durch Urteil vom 29.5.1990 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach den Gutachten von Privatdozent Dr. K. und Prof. Dr. G. stehe der Tod von B nicht im Zusammenhang mit dessen Unfallfolgen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 13.6.1990 beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung der Klägerin.
Der Senat hat zunächst von Amts wegen ein Gutachten von Dr. D. (mit Dr. L.) von der Medizinischen Klinik II des Städtisc...