Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zahnersatz. doppelter Festzuschuss. unzumutbare Belastung. Berücksichtigung von Zuwendungen Angehöriger. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zuwendungen Angehöriger zu ungedeckten Heimunterbringungskosten gehören zu den Bruttoeinnahmen des Versicherten zum Lebensunterhalt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 27.08.2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Betrag in Höhe von 29,09 € als doppelter Festzuschuss zu Zahnersatzkosten.
Die 1922 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie verfügte im Kalenderjahr 2012 über Renteneinkünfte der landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Höhe von zunächst 289,84 € brutto (ab 01.07.2012: 296,24 € brutto) und der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von zunächst 486,37 € brutto (ab 01.07.2012: 496,94 € brutto) monatlich. Die Klägerin wohnt im Seniorenheim R P in D und erhält Pflegesachleistungen; bis April 2012 war sie in die Pflegestufe I und seither ist sie in die Pflegestufe II eingestuft. Bis April 2012 verblieb zu den Kosten des Heimplatzes nach Abzug der Pflegesachleistungen und der monatlichen Nettorenten eine Differenz in Höhe von zumindest monatlich 1.039,87 €, seither in Höhe von monatlich 1.306,37 € (vgl. Aufstellung Bl. 61 f Verwaltungsakte der Beklagten). In Höhe der ungedeckten Heimkosten erhält die Klägerin Zuwendungen ihrer Kinder.
Die Zahnärztin D stellte der Klägerin für Zahnersatzkosten am 25.09.2012 61,27 € in Rechnung, abzüglich des Festzuschusses der Beklagten in Höhe von 29,09 € betrug der Eigenanteil der Klägerin 32,18 €. Die Gewährung eines doppelten Festzuschusses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2013 ab, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 55 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erfüllt seien, da neben den Renteneinkünften der Klägerin auch die Unterhaltsleistungen ihrer Angehörigen zur Deckung der ungedeckten Kosten der Heimunterbringung als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen seien. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 16.02.2013 zugestellt.
Am 01.03.2013 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Trier (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Beklagte rechne zu Unrecht Heimunterbringungskosten als Einnahmen zum Lebensunterhalt an. Wäre sie, die Klägerin, nicht durch einen Unfall und Krankheit pflegebedürftig geworden, hätte sie in ihrer Wohnung (Wohnrecht) verbleiben können und von ihren Renteneinkünften gut leben könne. In diesem Fall hätte sie den beantragten doppelten Festzuschuss erhalten, weil ihre Bruttoeinnahmen unterhalb des Grenzbetrages von 1.050,00 € gelegen hätten. Nun aber werde sie dafür bestraft, dass sie gebrechlich und krank sei und dadurch Kosten entstünden, die von ihren Angehörigen getragen würden.
Durch Urteil vom 27.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Gewährung eines doppelten Festzuschusses nach § 55 Abs. 2 SGB V abgelehnt, weil bei der Klägerin keine dies rechtfertigende unzumutbare Belastung im Sinne des Gesetzes vorliege. Eine unzumutbare Belastung liege nach § 55 Abs. 2 Satz 2 SGB V vor, wenn (1.) die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht überschreiten, (2.) der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz, Leistungen nach dem Recht der bedarfsorientierten Grundsicherung, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhält oder (3.) die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden. Bei der Klägerin sei keiner dieser Tatbestände erfüllt. Die Aufzählung in § 55 Abs. 2 Satz 2 SGB V sei abschließend, die Tragung der Kosten der Unterbringung im Heim durch andere als den Sozialhilfeträger werde deshalb von § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB V nicht erfasst. Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerin möglicherweise einen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten durch den Sozialhilfeträger haben könnte, maßgeblich sei allein der tatsächliche Bezug der Leistung vom Sozialhilfeträger (Hinweis auf Altmiks, in: juris PK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 55 Rn. 127). Insbesondere verfüge die Klägerin auch über monatliche Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, die 40 % der monatlichen Bezugsgröße, im maßgeblichen Zeitraum 1.050,00 €, überstiegen. U...