Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarer Verwaltungsakt als Prozeßvoraussetzung. Beschwer. Klageänderung
Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Kläger erstmals im Wege der Feststellung von Nachteilsausgleichen nach dem SchwbG durchgeführten Berufungsverfahren die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB), fehlt es an einem anfechtbaren Verwaltungsakt und damit an einer notwendigen Prozessvoraussetzung, wenn der Kläger keinen Antrag bei der Verwaltung gestellt und diese infolge dessen keinen den Kläger möglicherweise belastenden Verwaltungsakt (und Widerspruchsbescheid) erlassen hatte. Wegen fehlender Beschwer wäre die Klage unzulässig.
2. Ein solcher prozessualer Antrag kann nicht im Wege einer Klageänderung gemäß § 99 SGG zulässig werden. Auch bezüglich des geänderten bzw neuen Streitgegenstandes müssen grundsätzlich die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen; sie können nicht durch die Zustimmung des Beklagten ersetzt werden.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG (außergewöhnlich gehbehindert) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Bei dem 1954 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt L zuletzt mit Bescheid vom 30.11.1990 als Behinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 fest:
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1. |
Beinlähmung rechts mit Verkürzung, |
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2. |
degenerative Veränderungen und Verbiegung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom rechts, |
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3. |
Minderung des Hörvermögens, Ohrgeräusche. |
Im Oktober 1994 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche aG, B und RF. Das Versorgungsamt L holte Befundberichte des HNO-Arztes D und der praktischen Ärztin D sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen und Sozialmedizin D ein.
Mit Bescheid vom 21.02.1995 lehnte es den Antrag des Klägers ab. Hinsichtlich des Nachteilsausgleichs aG führte es im Wesentlichen aus, die festgestellten Behinderungen wirkten sich funktionell auf die Bewegungsfähigkeit nicht derart aus, dass der Kläger einem Rollstuhlfahrer oder Doppeloberschenkelamputierten gleichgesetzt werden könne.
Im Widerspruchsverfahren holte das Versorgungsamt einen Befundbericht des Orthopäden D und eine gutachterliche Stellungnahme des Chirurgen und Sozialmediziners D ein. Mit Teilabhilfebescheid vom 19.06.1995 bezeichnete das Versorgungsamt die Teil-Behinderungen des Klägers bei gleichbleibendem GdB neu als:
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1. |
Beinlähmung rechts mit Verkürzung, |
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2. |
degenerative Veränderung und Verbiegung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, |
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3. |
Minderung des Hörvermögens, Ohrgeräusch, |
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4. |
Verschleiß der Kniegelenke. |
Im wegen des Nachteilsausgleichs aG fortgeführten Widerspruchsverfahren ließ das Versorgungsamt den Kläger durch D begutachten. Dieser führt in seinem Gutachten vom 20.11.1995 aus, beim Kläger bestehe als Folge einer spinalen Kinderlähmung des rechten Beines mit Verkürzung von 3,5 cm und erheblicher muskulärer Verschmächtigung bei guter Restfunktion zweifelsfrei eine erhebliche Gehbehinderung, nicht aber eine außergewöhnliche Gehbehinderung. Darauf gestützt wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1996 zurück.
Im vor dem Sozialgericht Speyer durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts des D sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eines Gutachtens des Privatdozenten D Leitender Oberarzt der Orthopädischen Universitätsklinik H.
Der Sachverständige hat den Kläger im April 1997 untersucht und ist in seinem Gutachten im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger bestehe im Bereich des rechten Beines als Folge einer in früher Kindheit durchgemachten Poliomyelitis eine Muskelminderung des Oberschenkels und des Unterschenkels mit einer Schwäche, insbesondere das Hüftgelenk zu beugen, das Kniegelenk zu strecken und das Sprunggelenk zu beugen. Darüber hinaus bestehe als Folge des muskulären Ungleichgewichts im Bereich des rechten Fußes eine Deformität in Form einer Hohlfußstellung. Aus dieser Muskelschwäche resultiere eine mangelnde Fähigkeit, das Bein in der Standphase zu stabilisieren und in der Schwungphase vorzuschwingen, so dass sich hieraus die Notwendigkeit des Gebrauchs von Unterarmstockstützen ergebe. Im Bereich der Wirbelsäule bestehe als Folge der Beinverkürzung eine Seitverbiegung (statische Skoliose) sowie ein Verschleiß insbesondere im Bereich der Bewegungssegmente zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper, der aber weitgehend klinisch kompensiert sei. Die Behinderung sei zutreffend bezeichnet und bewertet. Der Kläger sei zur Überwindung von längeren Gehstrecken auf den Gebrauch von beidseitig getragenen Unterarmstockstützen angewiesen. Unter funktionellen Gesichtspunkten sei er daher mit einem einseitig Oberschenkelamputierten, der außer Stande sei ein Kunstbein zu tragen, gleichzusetzen.
Der Beklagte ist dem Gutachten des Sachverständigen durch die Vorlage einer internistischen Ste...