Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Leistungspflicht für das Mittel "Algonot Plus" bei Multipler Sklerose
Leitsatz (amtlich)
Die Versorgung mit dem Mittel "Algonot Plus" bei Multipler Sklerose fällt nicht in die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 16.7.2008 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die an Multipler Sklerose (MS) erkrankte Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Übernahme der Kosten für das Mittel "Algonot plus".
Die seit 1996 an einer sekundär progredienten MS erkrankte Klägerin war bis 28.2.2009 bei der Beklagten krankenversichert. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 1.3.2005 und einer Apothekenabrechnung vom 22.3.2005 beantragte die Klägerin am 20.4.2006 bei der Beklagten unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/098 - die Übernahme der Kosten für das Mittel "Algonot plus" in Höhe von 132 € pro Quartal ab 1.3.2005. Der von der Beklagten beteiligte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) teilte in seiner Stellungnahme vom 2.8.2006 (Arzt im MDK Dr. S ) mit, "Algonot plus" werde in den USA als Nahrungsergänzungsmittel in speziellen Vitaminshops verkauft und solle gegen alle möglichen Erkrankungen, u.a. auch MS, helfen; in Deutschland sei es weder als Nahrungsergänzungsmittel noch als zugelassenes Arzneimittel auf dem Markt; qualifizierte Studien über seine Wirksamkeit lägen nicht vor. Unter Berufung auf die Stellungnahme des MDK lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab (Bescheid vom 4.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 20.11.2006). Die hiergegen am 20.12.2006 erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier mit Urteil vom 16.7.2008 abgewiesen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 29.7.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.8.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Erweiterung des Leistungsanspruchs lägen vor, weil bei ihr auf Grund der MS jederzeit die Gefahr bestehe, dass ein Organverlust eintrete oder eine Körperfunktion ausfalle; in der Vergangenheit sei es vermehrt zu zeitweisen Totalausfällen der Gehfunktion und zu gravierenden Einschränkungen des Sehvermögens gekommen. Die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erforderlichkeit einer notstandsähnlichen Situation könne nicht überzeugen, da sie sich lediglich auf statistische Erhebungen stütze und den Einzelfall nicht berücksichtige. Zudem sei der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) seiner Verpflichtung nach § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, nicht nachgekommen. In den Richtlinien des GBA werde lediglich die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln nach ihren Wirk- und Inhaltsstoffen beurteilt; der auf die konkrete Erkrankung bezogenen Therapiefreiheit der Ärzteschaft werde nicht ausreichend Rechnung getragen. MS werde in den Richtlinien des GBA nicht erwähnt. Das zeige, dass die Herangehensweise des GBA falsch sei, sie führe zwangsläufig zu lückenhaften und daher fehlerhaften Regelungen in den Arzneimittelrichtlinien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 16.7.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 4.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für das selbst beschaffte Mittel "Algonot plus" seit 1.3.2005 bis 28.2.2009 in Höhe von 2112,- € zu erstatten .
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf die Gerichtsakten, die Akte des Parallelverfahrens L 5 KR 99/08 und die Verwaltungsakten der Beklagten. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des in der Zeit vom 1.3.2005 bis zum Ende ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten selbst beschafften Mittels "Algonot plus".
Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten des Mittels kommt allein § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in Betracht. Hiernach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Die Versorgung mit dem Mittel "Algonot plus" war keine unaufschiebbare Leistung. Dies wird von der Klägerin nicht geltend gemacht; hierfür liegen auch keine Anhal...