Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 11.09.1996; Aktenzeichen S 1 Ka 34/96) |
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 11.9.1996 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.1996 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Beschäftigung von Frau Maddalena Avolio als Entlastungsassistentin zu genehmigen.
3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Genehmigung der Beschäftigung einer Entlastungsassistentin.
Die Klägerin ist als Vertragsärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zugelassen. Sie ist mit einem Chirurgen verheiratet, der ebenfalls als niedergelassener Arzt tätig ist. Aus der Ehe ist ein am … 1991 geborener Sohn hervorgegangen.
Mit einem am 13.10.1995 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte sie die Zulassung einer Entlastungsassistentenstelle für ihre gynäkologische Praxis mit Belegbetten im Krankenhaus D. zum nächstmöglichen Termin. Ihre jetzige Tätigkeit als Belegärztin in der Gynäkologie und insbesondere in der Geburtshilfe erfordere einen sehr hohen Zeitaufwand. Ohne die Unterstützung einer fachärztlichen Kollegin bedeute dies für sie eine ständige Rufbereitschaft mit 30 Diensten pro Monat und zahlreichen nächtlichen Einsätzen in der Geburtshilfe und Gynäkologie, an die sich am nächsten Morgen die normale Praxistätigkeit anschließe. Neben der dadurch entstehenden physischen Belastung sehe sie auch eine optimale Versorgung ihrer Patienten nicht mehr gewährleistet. Nicht zuletzt bestehe die Notwendigkeit für diesen Antrag auch aus familiären Gründen. Durch die Einstellung einer Entlastungsassistentin bestehe für sie die Möglichkeit, sich weiterhin um die Betreuung und Erziehung ihres 4-jährigen Sohnes kümmern zu können.
Mit Bescheid vom 15.12.1995 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die von der Klägerin vorgetragenen Gründe nicht die Erteilung einer Genehmigung zur Beschäftigung einer Entlastungsassistentin rechtfertigen würden. Die 20 gynäkologischen Belegbetten im Krankenhaus D. würden von der Klägerin zusammen mit 2 Kollegen betreut. Seit 16.10.1995 beschäftige die Klägerin eine Assistentin auf der Belegabteilung, so daß hier keine Versorgungslücke erkennbar sei. Die Betreuung und Erziehung eines Kindes stelle für eine berufstätige Frau zwar immer eine gewisse Doppelbelastung dar, hierin könne aber kein ausreichendes Kriterium für eine Assistentengenehmigung erblickt werden.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2.2.1996 zurückgewiesen, da ein stichhaltiger Grund für die Beschäftigung eines Assistenten bzw einer Assistentin nicht vorliege. Das eigentliche Motiv der Klägerin stelle die bessere Betreuung ihres 4-jährigen Kindes dar. Dieses Argument rechtfertige es nicht, dem Widerspruch zum Erfolg zu verhelfen. Die Klägerin sei nach keiner rechtlichen Bestimmung verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Sie sei vielmehr aufgrund ihrer freien Entscheidung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen worden und übe als niedergelassene Vertragsärztin einen freien Beruf aus. Als Freiberuflerin falle es in ihr unternehmerisches Risiko, mit den Folgen einer Familienvergrößerung infolge der Geburt eines Kindes von der Arbeitsbelastung her fertig zu werden. Die Rechtsordnung, insbesondere das Familienrecht, vermöge in einem solchen Fall nicht zu helfen. Es stehe der Klägerin frei, im Hinblick auf die Betreuung ihres Sohnes den Umfang ihrer Tätigkeit einzuschränken.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Mainz mit Urteil vom 11.9.1996 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Genehmigung zur Beschäftigung einer Ärztin als Entlastungsassistentin. Die Einstellung einer Entlastungsassistentin sei nach § 32 Abs. 2 der Zulassungsverordnung möglich, wenn der Vertragsarzt durch Alter und Krankheit in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt oder durch politische, berufspolitische oder wissenschaftliche Tätigkeiten teilweise an der vertragsärztlichen Tätigkeit gehindert sei. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift könne nicht auf Ärztinnen ausgedehnt werden, die sich nach der Geburt eines Kindes dessen Erziehung widmen und deshalb ihre Praxistätigkeit reduzieren wollten. Die Vorschrift des § 32 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV sei insoweit eng auszulegen. Die Erziehung eines minderjährigen Kindes durch eine Vertragsärztin begründe auch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen keinen Anspruch auf Genehmigung eines Entlastungsassistenten. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) werde nicht berührt. Die Klägerin werde gegenüber männlichen Vertragsärzten nicht benachteiligt. Auch auf Art. 6 GG könne sich die Klägerin nicht stützen. Sie übe als Vertragsärztin einen freien Beruf aus, den sie freiwillig gewählt habe. Das Problem der Erziehung von Kindern und Beruf stelle...